Rede unserer Stadtverordneten Basak Taylan-Kiran zur Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle

Basak Taylan Kiran
Stadtverordnete Basak Taylan-Kiran

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

wir freuen uns heute sehr darüber, dass wir den vorliegenden Antrag verabschieden werden. Heute werden wir den Magistrat beauftragen, eine unabhängige, hauptamtliche Antidiskriminierungsstelle einzurichten, an die sich Offenbacher:innen wenden können, die diskriminiert wurden.

Diskriminierungen und die Art und Weise, wie man diskriminiert wird, sind so vielfältig, wie die Menschen, die davon betroffen sind. Sie passieren ganz banal im Alltag, überrumpeln beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit oder beim Einkaufen im Supermarkt, manchmal tarnen sie sich sogar als vermeintliches Kompliment oder sie zeigen sich offen aggressiv und unübersehbar.

Manchmal passieren sie systematisch und institutionell und manchmal willkürlich und ganz privat. Diskriminierung hat verschiedene Gesichter. Und so viele Gesichter wie sie hat, so verschieden ist der Schaden und das Ausmaß des Schadens, den solch eine Erfahrung anrichten kann. Sie kann jede Form und jedes Ausmaß annehmen. Ganz klein oder ganz groß sein. Eines haben alle Diskriminierungserfahrungen jedoch gemeinsam, sie sind hässlich und sie schaden dem respektvollen Miteinander in einer Gesellschaft. Und ganz besonders der betroffenen Person und ihren Angehörigen.

Sie kann körperlichen, psychischen oder finanziellen Schaden anrichten. Manchmal vermiesen solche Erfahrungen lediglich Momente oder Tage. Manchmal aber auch ganze Leben. Sie kann dazu führen, dass man den gewünschten Beruf nicht ausüben kann oder die gewünschte Wohnung nicht kriegt. Sie kann Hass bedeuten und körperliche Integrität in Frage stellen.

All das kann passieren und ist bereits zu häufig passiert.

Das wissen wir aus eigener Erfahrung oder von den Erfahrungen unserer Freunde, Familienmitglieder und Bekannten oder einfach aus den Medien. Eine Stelle vor Ort, die all diese Fälle erfasst, haben wir derzeit nicht. Daher brauchen wir nicht nur eine Person, die zuhört, berät, hilft und vermittelt, sondern auch eine, die die Fälle benennt, dokumentiert, erfasst, aufklärt.

Auf Bundesebene existiert inzwischen eine Antidiskriminierungsstelle. Auch immer mehr Städte (z.B. Frankfurt, München, Nürnberg, Hannover) richten eigene Stellen gegen Diskriminierung ein.

Offenbach hat zurzeit eine ehrenamtliche Antidiskriminierungsstelle, die immer sehr engagiert und mit viel Einsatz gearbeitet hat, wofür ich mich ausdrücklich bedanken möchte.

Dennoch brauchen wir aufgrund dieses umfassenden Auftrags an die Antidiskriminierungsarbeit eine weitergehende, hauptamtliche Stelle. Die ehrenamtliche Arbeit hat sich nämlich lediglich auf Vorfälle innerhalb der Stadtverwaltung beschränkt.

Die hautpamtliche Stelle wird nicht nur in Fällen beraten, in denen eine Diskriminierung durch die Verwaltung im Raum steht, sondern auch in Diskriminierungsfällen im zivilen Bereich. Es wird ein umfassendes Beratungsangebot geschaffen, die Benachteiligung nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) und jenseits des AGG (Zivilrecht, Sozialrecht, Verwaltungsrecht etc.) im Blick hat und den Menschen Gehör verschafft und Handlungsmöglichkeiten aufzeigt.

Die aufgezählten Arbeitsbereiche im Antrag sind dabei ausdrücklich nicht abschließend. Bezüglich des genauen Umfangs des Arbeitsgebiets und der Arbeitsweise der Stelle wird noch ein Konzept erstellt, das der Stadtverordnetenversammlung zur Beschlussfassung vorgelegt wird.

Die Stelle soll ihrer Tätigkeit frei von Weisungen des Magistrats nachkommen und unabhängig sein. Die Unabhängigkeit der Stelle bei der Bearbeitung und Prüfung von Beschwerden wird auch satzungsrechtlich verankert. Der Stelle wird nicht nur rechtliche Unabhängigkeit zugesichert, sie wird auch örtlich außerhalb des Rathauses eingerichtet, um eine räumliche Trennung zu gewährleisten.

Ohne eine solche Anlaufstelle bleiben Betroffene oft ratlos zurück. Eine Diskriminierung zu erkennen und sich zu wehren hat hohe Hürden. Denn man muss den Sachverhalt erstmal richtig einordnen. War das bereits strafrechtlich relevantes Verhalten? Lohnt es sich das bei der Polizei anzuzeigen? Oder sollten lieber alle Parteien an einen Tisch geholt werden? Wie soll der Fall aufgearbeitet werden? Wie kann mir geholfen werden? Ohne professionelle Anlaufstelle müssen sich Betroffene diese Informationen finanziell oder durch ein starkes Netzwerk selbst verschaffen. Das kann dem Einzelnen nicht zugemutet werden, denn es ist unsere gemeinsame Aufgabe jedem Menschen ein Leben frei von Diskriminierungen zu ermöglichen.

Wir werden es nicht schaffen, Diskriminierungen aus der Welt zu schaffen, wir können aber lernen damit adäquat umzugehen und Diskriminierungserfahrungen nicht als Problem des einzelnen Betroffenen zu begreifen, sondern als Verletzung unserer gemeinschaftlichen Werte und damit dagegen zu steuern als politischen Auftrag. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt: Antidiskriminierungsarbeit ist Arbeit für Freiheit und Frieden. Arbeit für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Anspruch des Einzelnen an die Gesellschaft. Sie ist für ein friedliches Zusammenleben in der Stadt unentbehrlich. Daher bitte ich um Ihre Unterstützung dabei und Ihre Zustimmung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

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