Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Dr. Sybille Schumann zur Benennung des im Aufbau befindlichen neuen Gymnasiums

Stadtverordnete Dr. Sybille Schumann

Sehr geehrter Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen,

das neue Gymnasium bekommt einen Namen: Emmy Noether. Um es gleich vorweg zu sagen – wir Grünen finden: das ist eine sehr, sehr gute Wahl! Ein Vorschlag, dem wir sehr, sehr gerne zustimmen und der sehr, sehr gut passt. Warum?

Erstens: Das neue Gymnasium wird einen sogenannten MINT-Schwerpunkt haben, also für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Emmy Noether war Mathematikerin und hat die Physik revolutioniert, so im Spektrum der Wissenschaften nachzulesen. Auf ihren Erkenntnissen bauen unter anderem die heute etablierten physikalischen Theorien auf: vom Standardmodell der Teilchenphysik hin zur Relativitätstheorie. Was sie erkannt und mathematisch ausgeführt hat, ist, dass zu jeder kontinuierlichen Symmetrie eines Systems es eine Erhaltungsgröße gibt – also eine Größe, die über die Zeit unverändert bleibt. Mathematisch bewiesen ist das im nach ihr benannten Noether-Theorem.

Zweitens: Das neue Gymnasium wird neue Wege beschreiten, mit digitaler Bildung, als Ganztagsschule, der Nutzung außerschulischer Lernorte, mit dem Programm „Zusammen“ und der Stärkung von Demokratieförderung.

Und für den Erfolg, der sich einstellt, wenn man neue, progressive Wege geht, und welche gesellschaftlichen Fortschritte möglich sind, steht die akademische Entwicklung Emmy Noethers: Sie besuchte eine öffentlich höhere Töchterschule, die für sie (wie damalig für alle Mädchen) mit Klasse 10 endete. Das war 1897. Als Frau durfte sie damals in Erlangen kein Abitur machen. Naturwissenschaften wurden nicht vermittelt. Sie machte dann zunächst eine Ausbildung als Lehrerin für Englisch und Französisch an Mädchenschulen. Parallel zu dieser Ausbildung beantragte sie -mit der notwendigen Unterstützung ihres Vaters- die Erlaubnis, sich als Gasthörerin an der Universität Erlangen zu immatrikulieren und belegte damit erste Kurse in Mathematik. Weiterhin beantragte sie, als Externe an einem königlichen Realgymnasium in Nürnberg die Abiturprüfung ablegen zu können. Ihr Abitur machte sie so, ohne innerschulische Unterstützung, im Juli 1903. Nun konnte sie als eine der ersten Studentinnen an einer Uni studieren und promovieren. Habilitieren durfte sie jedoch nicht.

Mit einer politisch progressiven Entwicklung nach dem ersten Weltkrieg, sprich dem Beginn der Weimarer Republik, wurden dann Frauen gesamtgesellschaftlich etwas besser gestellt. Frauen durften wählen und sich auch habilitieren. So habilitierte Emmy Noether 1919 als erste Frau in Deutschland in Mathematik und lehrte an der Uni – wenn auch nur ehrenamtlich, das heißt ohne Bezahlung. Auch dies änderte sich noch im Laufe der Zeit und ihres Lebens! Ich finde das macht Mut.

Drittens: Emmy Noether steht für Resilienz und Selbstbewusstsein und ihr Leben zeigt, wie wichtig eine Gesellschaft ohne Hass und Ausgrenzung und mit viel Zivilcourage ist. Damit steht sie auch für Offenbach.

Emmy Noether hat Hass und gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren, sich aber nicht unterkriegen lassen. Nicht nur als Frau, nicht nur im Bildungsbereich. Ebenso als Jüdin -sie stammte aus einer Familie, die dem liberalen Judentum angehörte- und als politisch interessierte Person. 1933 sorgten die Nazis mit entsprechenden Gesetzen für ein Berufsverbot. Ihr wurde nach all ihren Erfolgen die Lehrerlaubnis entzogen. Sie emigrierte in die USA, wo sie dann als Professorin lehrte und Geld verdiente. Leider verstarb Emmy Noether schon mit 53 Jahren, so dass sie das Ende von Nazi-Deutschland und die Demokratisierung von Deutschland nicht mehr miterleben durfte.

Emmy Noether hat ihren Lebens- und Ausbildungsweg selbstbewusst bestritten. Sie hat sich durchgebissen und nicht aufgegeben um ihre Ziele zu erreichen. Es gab für sie und ihren Weg Hilfe und Solidarität von Freunden und Familie. Menschen, die gegen massive gesellschaftliche und politische Widerstände und Ausgrenzung zu ihr standen und ihr den Rücken gestärkt haben – Menschen, die Zivilcourage bewiesen. Sie haben bewiesen, was alles möglich ist. 

Emmy Noether passt, aus den drei ausgeführten Gründen als Namensgeberin für das Neue Gymnasium und zu den Menschen, welche in Offenbach leben und lernen. Und sie passt in doppeltem Sinne zu einem Ort, an dem -ich zitiere das Leitbild der Schule- „wir nicht nur Wissen teilen, sondern auch unser Leben“.

Zuletzt möchte ich noch etwas zu dem heutigen Zeitungsbericht sagen, in welchem die Frage aufkommt, warum das neue Gymnasium nach Emmy Noether benannt wird und nicht nach Max Dienemann. Für mich ist die Benennung nach Emmy Noether eine Entscheidung FÜR und nicht gegen eine Benennung. Warum Emmy Noether eine gute und passende Wahl ist, habe ich bereits ausgeführt. Um es mit Pfarrer Manfred Holze zu sagen, welcher in dem Bericht zitiert wird: Die Benennung und die Akzeptanz für den Namen Emmy Noether wäre auch „ein Zeichen für ein von Respekt und Verständnis geprägtes Zusammenleben“.

Jetzt hoffe ich auf Zustimmung aller Demokrat:innen für die Namensgebung „Emmy Noether“ für das neue Gymnasium. Herzlichen Dank!  

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