Rede unserer Fraktionsvorsitzenden Dr. Sabrina Engelmann zum CDU-Antrag: Straßensperrungen oder Teilsperrungen erst nach Verkehrsberechnungen umsetzen

Fraktionsvorsitzende Dr. Sabrina Engelmann

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleg:innen,

uns liegt hier ein Antrag vor, der verlangt, dass alle Maßnahmen, die sich auf Verkehrsströme auswirken und länger als vier Wochen dauern, ausschließlich auf Basis von Verkehrsberechnungen geplant werden sollen.

An diesem Antrag gibt es meiner Meinung nach einiges zu kritisieren.

Beginnen möchte ich mit der Verwendung des Wortes „Verkehr“ durch die CDU-Fraktion im Antrag, etwa wenn sie in der Begründung auf den Verkehrsversuch in der Waldstraße zu sprechen kommt. Hier wird suggeriert, dass die Umwidmung zweier Fahrspuren zu je einem Radfahrstreifen zu einer „bloßen Verkehrsbehinderung oder -verdrängung“ führe. Ganz offensichtlich meint die CDU-Fraktion hier mit Verkehr ausschließlich PKW-Verkehr, denn durch die Maßnahme wird sicherlich kein Fahrradverkehr behindert oder gar Menschen, die sich zu Fuß an der Waldstraße bewegen. Diese verengte Sichtweise auf Verkehr ausschließlich als PKW-Verkehr gibt das Ansinnen des Antrags meiner Meinung nach recht gut wieder: Nichts darf den PKW-Verkehr stören! Im Gegensatz dazu stehen wir Grüne zur im Koalitionsvertrag festgehaltenen Gleichberechtigung der Verkehrsträger.

Aber zum Hauptproblem dieses Antrags. Wenn für jeden größeren Eingriff eine solche Verkehrsberechnung verlangt wird, verschieben sich sämtliche Vorhaben in diesem Bereich um unbestimmte Zeit nach hinten. Und das betrifft keinesfalls nur die verkehrspolitischen Projekte der Stadt. Nein, das betrifft auch jede Baustelle, die länger als vier Wochen dauert – wie wir alle wissen, ist das keine Seltenheit im Stadtgebiet. Auch hier müssten dann zunächst aufwendige Verkehrsberechnungen durchgeführt werden, um dann unter Umständen – was? die ENO-Baumaßnahmen auf der Waldstraße zum Beispiel nicht zu genehmigen? Wichtige Bauten und Umbauten im Stadtgebiet nicht zu erlauben, weil der PKW-Verkehr davon beeinträchtigt werden könnte? Denn regelmäßig lässt die vorhandene bauliche Situation keine andere Führung der verschiedenen Verkehrsströme zu.

Mir ist schon klar, dass das nicht die Intention des Antrags ist, aber genau das wäre die Folge, wenn wir ihn beschlössen.

Das alles heißt aber natürlich nicht, dass in Offenbach bisher oder in Zukunft einfach wild jede Straße gesperrt werden kann, wie es gerade beliebt. Selbstverständlich müssen vor größeren Maßnahmen verkehrsplanerische Betrachtungen durchgeführt werden – das geschieht auch. Welche Form diese annehmen, hängt aber immer von der Komplexität der jeweiligen Verkehrssituation ab.

Die von der CDU erwähnten Modellierungen, die für den Umbau des Kaiserlei-Kreisel eingesetzt wurden, sind äußerst aufwendig und sehr teuer. Sie können letztlich auch nicht mit absoluter Sicherheit das Verhalten echter Menschen an konkreten Orten voraussagen. Genau hier können Verkehrsversuche bei vielen Situationen Abhilfe schaffen und valide Daten über die Auswirkungen von verkehrlichen Veränderungen liefern – mit weniger Aufwand für die Verwaltung und weniger Kosten. Verkehrsversuche stellen so in vielen Situationen keinen Nachteil, sondern einen Vorteil gegenüber reinen Modellierungen dar.

Aus den genannten Gründen und weil dieser Vorschlag bei Umsetzung leider nicht wie beabsichtigt zu einer nachhaltigen Verkehrs- und Stadtplanung führt, sondern zu Stillstand durch Überlastung der Verwaltung, werden wir diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank!

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