Rede unserer Stadtverordneten Dr. Sabrina Engelmann zum Grundsatzbeschluss „Belebung des Empfangsgebäudes des Offenbacher Hauptbahnhofs“

Stadtverordnete Dr. Sabrina Engelmann

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren,

ich darf heute hier zu einem Thema sprechen, das mir ganz besonders am Herzen liegt: der Offenbacher Hauptbahnhof.

Das ehemals prachtvolle und repräsentative Gebäude ist leider aktuell nur noch ein Schatten seiner Selbst. Er ist heruntergekommen und dient nur noch der schnellen Unterquerung des Bahndamms oder dem Zugang zu den Gleisen. An einen längeren, freiwilligen Aufenthalt in diesem Gebäude ist wirklich nicht zu denken.

2014 hat das letzte Geschäft im Bahnhof seine Türen geschlossen und seitdem ist es ein stetiger Niedergang. Jahr um Jahr wurden weitere Scheiben zerstört, Türen aufgebrochen und neu verbarrikadiert, oder auch Geldautomaten gesprengt.

Das geht so einfach nicht mehr weiter. Weil das für mich persönlich schon einige Zeit feststeht, bin ich Mitglied der Ini Hbf OF geworden, die sich um eine Belebung dieses Gebäudes bemüht, weil sie das große Potenzial sieht, das es hat.

Dabei geht es nicht einfach um die Belebung des Gebäudes mit irgendwelchen Läden. Es geht um einen klugen, gemeinwohlorientierten Nutzungsmix aus sozialen, bildungsorientierten und kulturellen Nutzungen – zumindest im östlichen Gebäudeteil. Dabei können unterschiedliche Nutzungen sinnvoll ineinandergreifen und Synergien entwickeln –dies ist auch in der Machbarkeitsstudie dargelegt. Unser Wunsch als Grüne ist es, dass die Mieter*innen von Räumlichkeiten nicht nur einen Raum für ihre Entfaltung bekommen, sondern auch miteinander in den Austausch treten und so neue Verbindungen innerhalb der Stadtgesellschaft entstehen.

Immer wieder fragen Einzelpersonen und Gruppen aus Offenbach die Initiative Hauptbahnhof an, ob sie Räume im Bahnhof mieten und nutzen könnten. Bedarf nach Räumen und Ideen für Nutzungen gibt es also zuhauf. Dazu gehören etwa Vereinsräume, Ausstellungsräume, Proberäume, Räume für Familienfeiern und Theateraufführungen oder Büros für soziale Einrichtungen und vieles mehr. Auch als ein möglicher Ort für ein Haus der Vereine ist der Hauptbahnhof im Gespräch. All diese Nutzungen wären sowohl bei Kauf als auch bei Pacht des Gebäudes umzusetzen.

Die vorgesehene Belebung soll also nicht nur das Gebäude sprichwörtlich wieder mit Leben füllen, sondern auch Nutzungen einen Raum geben, die aktuell noch gar keinen Ort haben. Und ganz nebenbei würde eine Belebung des Empfangsgebäudes auch die Aufenthaltsqualität am Bahnhof erhöhen, für diejenigen, die dort auf die Bahn warten oder in Offenbach ankommen. Das könnte neben der zukünftigen Barrierefreiheit die Nutzung des ÖPNV dort deutlich attraktiver machen, was angesichts der CO2-Emissionen im Verkehr wirklich angebracht wäre.

Das Empfangsgebäude darf dabei nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss in seiner Umgebung gesehen werden und der tut ein leerer und ungenutzter Bahnhof nicht gut – im Gegenteil er schadet ihr. So würde die Belebung des Bahnhofs natürlich auch den direkten Anwohner*innen zugutekommen. Das Senefelderquartier ist wie die südliche Innenstadt stark verdichtet und verfügt über nur wenige Orte, an denen sich Menschen, ohne konsumieren zu müssen, aufhalten können. Und gerade das Senefelderquartier wächst aktuell noch weiter – man denke an das geplante Liebigquartier auf der Fläche der ehemaligen Post. Der Hauptbahnhof kann für all diese Menschen ein Ort zum Verweilen sein, zum Treffen der Nachbarschaft und zur Verwirklichung von Ideen.

Hinzukommt, dass das Empfangsgebäude mit dem Tunnel eine verbindende Wirkung zwischen den beiden Seiten des Bahndamms entfalten kann und zwar räumlich wie sozial. Im jetzigen, abstoßenden Zustand trägt das Gebäude eher zur Trennung der beiden Stadtteile bei.

Zentral für die Verwirklichung einer dauerhaften Belebung ist zunächst die Ermöglichung von Zwischennutzungen bis eine Sanierung erfolgt. Durch sie können einerseits verschiedene Nutzungen erprobt und auf Tragfähigkeit überprüft werden. Andererseits können so weitere Interessent*innen mit neuen Ideen angezogen werden, die den Bahnhof durch die Zwischennutzung erst als Möglichkeitsraum entdecken.

Bei den Überlegungen zur Zukunft des Hauptbahnhofs dürfen wir dabei nicht die Verantwortung der Deutschen Bahn vergessen. Ihr gehört das Gebäude und so wie es aussieht wird sie es auch behalten. In den letzten Jahren hat sie das Gebäude sich selbst überlassen. Die alleinige Entscheidung, nicht zu verkaufen, bedeutet jedoch noch keine Verbesserung des Zustands. Dazu müsste die Bahn beginnen, auch entsprechend zu handeln. Wir Grünen begrüßen es daher, dass der Magistrat mit der Bahn zu einem (Teil-)Kauf oder einer langfristigen Pacht in Verhandlungen tritt und die Bahn so an ihre Verantwortung als Eigentümerin des Gebäudes und gegenüber den Bahnreisenden erinnert. Wenn es gelingt, ob mit Pacht oder Kauf, den Offenbacher Hauptbahnhof wieder mit Leben und einem spannenden Nutzungsmix zu füllen, so dass das Gebäude an dieser wichtigen Stelle sein ganzes Potenzial entfalten kann, könnte dies gar als Modellprojekt für viele weitere Bahnhöfe in Deutschland dienen, die ebenfalls nach und nach verfallen und aktuell von der Bahn nicht verkauft, aber auch nicht instandgesetzt und belebt werden.

Zum vorliegenden Antrag gehört folgerichtig auch der erste Schritt für die Umgestaltung des heutzutage völlig überdimensionierten Busbahnhofs. Die Fläche wirkt aktuell gänzlich verwaist und ist streng genommen eine Platzverschwendung. Hier ist dringend eine Neugestaltung mit Blick auf die Aufenthaltsqualität angezeigt. Wir als Koa haben zudem die Idee einer möglichen Quartiersgarage eingebracht – zur Entlastung der angespannten Parksituation im Quartier.

Die Neugestaltung des Bahnumfelds spielt auch für die Belebung des Empfangsgebäudes eine wichtige Rolle, denn obwohl die Entfernung zwischen Bahnhof und der Unterführung zwischen Senefelder und Groß-Hasenbach-Straße eigentlich nicht groß ist, gibt es aufgrund der großen leeren Fläche des Busbahnhofs keinerlei Kontakt zwischen den vielen Menschen, die durch die Unterführung gehen und fahren und dem Hauptbahnhof. Auch hier wäre eine Verbindung und die Schaffung von Aufenthaltsqualität gut für den Stadtteil und würde positiv auf ihn ausstrahlen.

Zuletzt noch ein paar Worte zum Änderungsantrag der CDU, der vorsieht, bis zur Klärung der Kosten „die Planungen des Projektes anzuhalten“. Zum einen der Hinweis, dass die geschätzten Kosten für Sanierung und Betrieb in der Machbarkeitsstudie mit verschiedenen Betreibermodellen bereits dargelegt wurden. Andererseits stehen aktuell noch HEGISS-Mittel für den Hauptbahnhof und das Umfeld bereit – jedoch nicht ewig. Wenn also die Planungen jetzt angehalten werden, kann es sein, dass die Stadt letztlich die Mittel an das Land zurückgeben muss, ohne sie für den Bahnhof und sein Umfeld eingesetzt zu haben. Und dann hätten wir immernoch das Problem, dass wir ein großes Gebäude in bester, innenstadtnaher Lage haben, das nach und nach weiter verfällt und dringend belebt werden muss. Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass man Geld nicht unbedacht ausgeben sollte, aber ein Projekt muss nach mehr Kriterien bewertet werden als ausschließlich nach der Wirtschaftlichkeit. Es geht hier um eine gemeinwohlorientierte Nutzung, deren Wert für die Stadtgesellschaft man nicht unbedingt in Euro ausrechnen kann.

Wir Grünen sind der Meinung, dass das letzte was der Hauptbahnhof nach fast zehn Jahren Leerstand braucht, ein Anhalten der Planungen ist. Wir werden daher für den Grundsatzbeschluss zur Belebung des Hauptbahnhofs stimmen. Unsere Hoffnung ist, dass das Potenzial ausgeschöpft wird und Offenbach den Hauptbahnhof erhält, den es verdient.

Vielen Dank!

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