Rede unserer Stadtverordneten Nata Kabir zum Grundsatzbeschluss zur „Station Mitte“

Stadtverordnete Nata Kabir
Stadtverordnete Nata Kabir

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Offenbachs Stadtbibliothek sitzt seit 1952 im Büsing Palais und wurde damals laut Wikipedia: „[…] zur ersten Freihandbücherei Deutschlands, in welcher sich jeder Besucher seine Bücher selbst heraussuchen konnte, ohne einen Bibliothekar bemühen zu müssen.“ Zitat Ende.

Wikipedia ist ja nicht die seriöseste Quelle, andere benennen Hamburg als erste Freihandbücherei. Aber das soll jetzt mal unseren Lokalstolz nicht trüben. Ich muss zugeben, bis ich an die Uni kam war mir das System einer Magazinbibliothek völlig fremd. Ich dachte bis dahin, was ich immer denke, wenn ich in der Welt rumlaufe: Alles ist so wie bei mir Zuhause in Offenbach. Soll heißen, dass man überall seine Bücher einfach aus Regalen zieht. Was für mich heute also völlig normal erscheint, war damals fast schon revolutionär und man fragte sich ob man Bücher dem gemeinen Volk wirklich so einfach überlassen kann. Hinzu kam die auffällige Architektur im neuen Gebäude, mit dem Bücherturm. Das waren alles große Umbrüche, ja Innovationen, für die Stadtbibliothek. Architektonisch und bibliothekskulturell. Und ich sehe da gewisse Parallelen, in der Diskussion und in der Veränderung, zur Station Mitte.
Jetzt müssen wir uns also gut überlegen wo die hinkommt.

Der Diskussion war ja schon zu entnehmen: Jeder potenzielle Standort für die Station Mitte hat spezielle Vor- und Nachteile. Eins haben alle gemeinsam: Billig wird’s nicht. Ja, Sie haben Recht, das sind immense Mietkosten und es kommt zusätzlich noch ein hübsches Sümmchen für den Innenausbau hinzu. Deshalb wäre es uns Grünen lieber in ein eigenes Gebäude zu investieren. Und deshalb ist es auch richtig die alte Post am Aliceplatz nachträglich noch in der Prüfung aufzunehmen. Das wäre zum einen eine gute Kaufoption. UND das wäre zum anderen ein großartiger Gewinn für den Aliceplatz. Aber ob die Post überhaupt zur Station Mitte geeignet ist? Wir werden sehen.

Und natürlich ist es eine berechtigte Frage: Wieviel Geld ist uns dieses Projekt wert? Dieses EINE Projekt von den 14 vorgesehenen zur Belebung der Innenstadt. Klar, die Ressourcen sind begrenzt. Nur, für mich, für uns, geht es an dieser Stelle nicht allein um die Innenstadt (und dieser Aspekt kommt mir hier heute zu kurz!). Denn es geht auch darum, unserer Bibliothek einen adäquaten Standort zu bieten und sie weiterzuentwickeln. Nicht nur die Innenstadt, auch die Stadtbibliothek selbst muss zukunftsfit werden, unabhängig davon ob sie Teil der Innenstadt ist oder nicht.

Oft wird ja von außerhalb ein negatives Bild gezeichnet über unsere Stadt, und auch der Offenbacher Meckerer prägt die Liebe und den Umgang mit sich selbst. Oft geht es in Berichten über Offenbach, in Diskussionen, in TV-Beiträgen um soziale Probleme und Schwierigkeiten der Menschen hier, um diejenigen in dieser Stadt, die abgehängt sind, um die, denen es nicht so gut geht. Aber jetzt geht es mal um die, die Lust haben zu Lernen und denen müssen wir – verdammt nochmal – ein gutes Angebot machen.

Und das sind viele. Denn anders als in anderen Städten haben wir hier in Offenbach nicht das Problem, dass unsere Bücherei kaum genutzt wird – ganz im Gegenteil. Und das liegt nicht in erster Linie an Bücherausleihen. Klar, Bücher werden da auch ausgeliehen, und nicht wenige. Vor allem aber ist die Bibliothek ein wichtiger Lernort. In Prüfungszeiten läuft sie über, viele nutzen sie um gemeinsam zu lernen und stapeln sich dann manchmal auf Böden und Treppen. Und das ist doch eine Riesenchance, dass Schülerinnen ihren Abschluss machen wollen und dafür unsere Bücherei nutzen. Vielleicht liegt das daran, dass nicht jeder Schuljunge zuhause genug Platz und Ruhe hat. Und nicht jede Schülerin kann sich hier von ihren Eltern helfen lassen. Vielleicht macht es ihnen in der Bibliothek aber auch einfach mehr Spaß. Und vielleicht ist es einfach schöner mit Freundinnen durch die Prüfungszeit zu gehen. Fakt ist jedenfalls, es braucht einen Ort mit ausreichend Arbeitsplätzen, mit der Möglichkeit sich zu treffen, zusammen zu lernen und weiter zu kommen. Und das ist im Büsingpalais nicht möglich, so schön der Bücherturm auch ist, so sehr das Offenbacher Herz an ihm hängen mag. Das Büsingpalais ist einfach zu klein und technisch veraltet.

Natürlich müssen wir überlegen wie es mit dem jetzigen Bibliotheksstandort weitergeht, das ist ja keine einfache Immobilie. Und es ist eine, die die Offenbacher:innen lieben. Aus diesen beiden Gründen kommt sicher keine x-beliebige Nutzung infrage. Vielleicht wäre es eine gute Idee die Öffentlichkeit bei der Ideenfindung zu beteiligen.

Genau wie beim Standort der Station Mitte wird man gut abwägen müssen was aus dem Bücherturm werden kann und was einem das wert ist. Und wer weiß vielleicht wird das wieder ein großer Umbruch und sehr innovativ.

Ob die Innenstadt von der Station Mitte profitieren wird? Ich glaube ja. Werden wir die Innenstadt mit der Station Mitte „retten“? Wer weiß das schon? (Und was genau heißt das eigentlich??) Aber überzeugt bin ich, dass es Generationen von jungen Menschen geben wird, die sich in der Station Mitte treffen werden um ihre Abschlüsse vorzubereiten und dann gibt es da auch genug Platz dafür.

Nach über 70 Jahren im Bücherturm wird es vielleicht wieder Zeit für eine architektonische und bibliothekskulturelle Innovation für die Stadtbücherei und dafür brauchen wir jetzt einen neuen zentralen Standort. In diesem Sinn bitte ich um Zustimmung.

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