Rede unserer Stadtverordneten Dr. Sabrina Engelmann zum Koalitionsantrag „Rechenzentren in Offenbach und deren Zukunftsperspektiven“

Stadtverordnete Dr. Sabrina Engelmann

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Kolleg:innen,

der vorliegende Antrag ist nicht der erste Antrag zum Thema Rechenzentren und er wird auch sicherlich nicht der letzte dazu sein. Denn die Bedeutung der Digitalisierung für unsere Gesellschaft steigt und die braucht eine entsprechende Infrastruktur, zu der Rechenzentren gehören.

Rechenzentren sind dabei Chance und Herausforderung zugleich. Beispielhaft möchte ich zwei Chancen nennen, die wir durch Rechenzentren haben:

Einerseits die Reduktion von CO2. Das klingt jetzt erstmal nicht direkt logisch, aber wenn man sich das Pandemie-Jahr 2020 anschaut, kann man sehen, dass diverse Geschäftsreisen ausfielen, sehr viele Menschen im Home-Office gearbeitet haben und so im Verkehrssektor der CO2-Ausstoß deutlich reduziert wurde – ohne, dass der CO2-Ausstoß durch Rechenzentren deutlich gesteigert worden wäre. Das heißt, es gibt tatsächlich eine Chance zur CO2-Reduktion durch Rechenzentren.

Andererseits ist eine andere Chance zu nennen, die gerade in einer Stadt wie Offenbach besonders relevant ist: die der potenziellen Gewerbesteuer. Ein Rechenzentrum vor Ort zahlt natürlich auch Gewerbesteuer.

Doch wir müssen aufpassen, dass der Gewinn, den wir durch die Gewerbesteuer haben, nicht durch die Kosten, die wir alle tragen müssen, zunichte gemacht wird. Denn Rechenzentren bringen auch Herausforderungen mit sich. Ich werde jetzt nur stichpunktartig auf diese Herausforderungen eingehen:

Punkt 1: steigender Stromverbrauch: Und – das wissen heutzutage wirklich alle – das müssen Erneuerbare Energien sein. Manche sagen auch Freiheitsenergien. Die gibt es, wie wir alle wissen bekanntlich nicht im Überfluss, deswegen ist das Thema Energieeffizienz absolut wichtig.

Ein weiteres Thema ist das der Abwärme: Wenn die Rechenzentren die Abwärme einfach in die Umwelt entlassen, heizt das die Städte zusätzlich auf. Das heißt, wir dürfen diese Wärme nicht ungenutzt verpuffen lassen. Aber es gibt auch nicht die eine, einfache Lösung, die für allen Rechenzentren angewendet werden kann. Das hängt ab von der Technik, die genutzt wird – entweder Luft- oder Wasserkühlung zum Beispiel – und es hängt auch davon ab, was man mit dieser Abwärme machen möchte: möchte man sie in die Fernwärme einspeisen, in die Nahwärme, möchte man damit Gewächshäuser betreiben.

Auch ein problematischer Punkt ist das Thema Lärm. Denn es gibt immer Notstromgeneratoren in Rechenzentren, die einmal im Monat getestet werden müssen, was viel Lärm erzeugt. Das muss bei der Planung von Rechenzentren, die in oder bei Wohngebieten liegen, zwingend berücksichtig werden.

Schließlich last but not least: das Thema Flächenverbrauch: Rechenzentren befinden sich oft in gut gelegenen, zentralen Flächen, die sie versiegeln und die dann eben für nichts anderes mehr genutzt werden können.

Um die vorhin dargelegten Chancen nutzen zu können und die Herausforderungen zu meistern, machen wir mit diesem Antrag einen ersten Schritt. Dabei ist es uns Grünen wichtig, angesichts der herrschenden Goldgräberstimmung dafür zu sorgen, dass nicht einzelne Private die Gewinne einfahren können, während die Kosten vergemeinschaftet werden. Offenbach befindet sich im Epizentrum des Rechenzentrumswachstums. Daher müssen wir uns als Kommune mit diesem Thema beschäftigen. Wir müssen öffentlich diskutieren, welche Rechenzentren wir haben wollen. Ich sage bewusst nicht, „ob“, sondern „welche Rechenzentren“. Wir brauchen einheitliche Regelungen für Rechenzentren.

Deswegen fordern wir, dass insbesondere der Regionalverband und die Regionalversammlung diese erstellen sollen. Denn das Thema kann nicht allein bei den Kommunen bleiben. Es droht sonst unter Umständen ein Gegeneinanderausspielen von Kommunen. Aber bisher ist das Thema bei der Regionalplanung kaum berücksichtigt worden. Deswegen brauchen wir allgemein gültigen Grundsätze zu Rechenzentren im Regionalverband.

Sinnvoll wäre unserer Meinung nach eine einheitliche Zertifizierung aller Rechenzentren – zumindest in der Region. Wir schlagen vor, den „Blauen Engel“ zu verwenden, der sich laut Umweltbundesamt als „Best Practice beim Rechenzentrumsneubau“ erwiesen hat.

Außerdem fordern wir Berichte über bestehende und geplante Rechenzentren. Warum stellen wir da einen Antrag und senden nicht einfach ein paar E-Mails an die Hauptamtlichen, in denen wir fragen, wie es darum steht? Uns geht es nicht nur darum, dieses Wissen zu haben und uns daran zu erfreuen, sondern uns geht es auch darum, Öffentlichkeit dazu zu schaffen. Langfristig wäre unser Ziel ein Rechenzentrumskataster zu haben, in dem man ablesen kann, welche Rechenzentren stehen an welcher Stelle, in welcher Größe, mit welchem Stromverbrauch, mit welcher Kühlungstechnik und mit welcher Abwärmenutzung. Darüber möchten wir einen Überblick haben. Da wir das für andere Kommunen der Region nicht entscheiden können, fangen wir eben bei uns selbst an.

Zudem möchten wir, dass die Nachnutzung geplant wird. Das wirkt vielleicht ein bisschen kurios, wenn man auf der einen Seite sagt die Rechenzentren schießen gerade wie Pilze aus dem Boden und auf der anderen Seite sprechen wir von Nachnutzung. Tatsächlich ist es aber so, dass der Branchenverband bitkom letzten Monat erst eine Studie herausgebracht hat, aus der hervorgeht, dass damit gerechnet wird, dass die benötigten IT-Flächen ab 2023 zu sinken beginnen. Das hat zwei verschiedene Gründe: Zum einen die steigende Leistungsdichte in Rechenzentren. Das heißt, wir haben eine stärkere Rechenleistung auf der gleichen Fläche. Zum anderen steigt die Bedeutung des Edge Computing durch das Internet of Things (wozu etwas das autonome Fahren gehört). Das bedeutet, dass die Daten dezentral dort verarbeitet werden, wo sie auch entstehen. In vielen Fällen würde es zu lange dauern, diese Daten erst an ein zentrales Rechenzentrum zu senden, dort zu rechnen und sie wieder zurückzusenden. Der Anteil des Edge-Computing wird immer weiter steigen. Die Branche entwickelt sich so rasant, dass wir darauf vorbereitet sein müssen, was passiert, wenn in zehn oder zwanzig Jahren vielleicht schon die ersten Rechenzentren obsolet geworden sind und leer stehen. Damit müssen wir umgehen.

Wir – und damit meine ich nicht Offenbach, sondern auch Bund, Land, Regionalverband – sind bei dieser Thematik schon ziemlich spät dran. Wir sollten jetzt endlich zu einheitlichen Regelungen kommen, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen.

Hier sind die ersten Schritte angedacht, damit alle, und nicht nur diejenigen, die Rechenzentren betreiben, davon profitieren. Daher bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank!

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