Rede unseres Fraktionsvorsitzenden Tobias Dondelinger zum Wirtschaftsplan 2025 der MainArbeit 12. November 202413. November 2024 Fraktionsvorsitzender Tobias Dondelinger Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren, in der letzten Sitzung habe ich zum Nachtragshaushalt gesprochen und dabei gesagt, dass ich mich als Haushaltspolitiker zwar viel mit Zahlen beschäftige, als Sozialpolitiker aber weiß, dass es am Ende um Leistungen und Dienste am Menschen geht, die hinter diesen Zahlen stehen. Mit dem Wirtschaftsplan der MainArbeit beschließen wir alljährlich auch solche Zahlen, die insgesamt erstmal zeigen, wie viel Geld für die rund 14.000 Menschen in Offenbach zur Verfügung steht, die Bürgergeld beziehen.Diese Zahl für sich genommen ist schon mal wichtig, weil sie bis zu einem gewissen Punkt der Gradmesser für die Solidarität in unserer Stadt und unserer Gesellschaft ist. Ich weiß, wir leben gerade in einer Zeit, in der auch Vertreter:innen demokratischer Parteien allen Ernstes glauben, es sei eine gute Idee, Politik und Populismus zu betreiben auf dem Rücken dieser 14.000 Menschen, indem sie so tun, als würde es uns und unserer Wirtschaft besser gehen, wenn es den Menschen im SGB II schlechter geht. Das ist ein gefährlicher Irrweg und es untergräbt das Fundament unserer Gesellschaft: Solidarität und Zusammenhalt. Ich möchte aber heute den Blick des Hauses auf eine bestimmte Zahl lenken: In Anlage 1 zum Wirtschaftsplan, dem Erfolgsplan, findet sich die Zeile: „Aufwendungen – Eingliederungstitel“.Dort steht in der Planung für 2025 die Zahl 2,314 Millionen Euro. Hinter dieser Zahl verbirgt sich alles, das die MainArbeit in Offenbach tun kann, um Menschen, die Bürgergeld bekommen, bei der Aufnahme von Arbeit zu unterstützen. Die Instrumente aktiver Arbeitsmarktpolitik. Das heißt hinter dieser Zahl verbirgt sich der Schlüssel für viele, ihre Situation zu verbessern, oder eben nicht. Hinter dieser Zahl stehen unter anderem Maßnahmen zur Aktivierung und Integration von jungen Erwachsenen unter 25 Jahren. Das sind beispielsweise Plätze bei der Produktionsschule Holz, wo Pädagog:innen und Handwerker:innen den jungen Menschen die Arbeit mit ihren Händen und auch das erfolgreiche Umsetzen von Projekten näherbringen. Ich habe mir die Arbeit dort vor einiger Zeit mal angeschaut und konnte auch mit jungen Leuten ins Gespräch kommen und weiß, was es für eine Bedeutung für diese jungen Leute hat, Perspektiven für ihre eigene Entwicklung zu sehen. Es sind Ausbildungsbegleitende Hilfen und Ausbildungscoaching: Wir alle sind regelmäßig im Gespräch mit der Wirtschaft, mit Handwerker:innen und Verbänden und wissen, dass es eine Hürde bei der Ausbildung ist, dass manche junge Leute noch Unterstützung während oder vor ihrer Ausbildungszeit brauchen, damit das Ganze gelingen kann. Hinter der Zahl stehen auch Maßnahmen für Frauen und Alleinerziehende. Zum Beispiel berufliche Erstorientierung, Aktivierung und Vermittlung von Müttern bzw. Frauen und Vorbereitung für die Ausbildung für junge Alleinerziehende. Wir alle wissen, dass wir bei unseren demographischen Herausforderungen und dem Arbeitskräftemangel nur weiterkommen, wenn wir es auch Müttern und auch Alleinerziehenden ermöglichen, zu arbeiten. Es ist also unerlässlich, hier mit den Menschen zu arbeiten. Die Arbeitsgelegenheiten, mit denen beispielsweise ein Teil der Arbeit des Sozialkaufhauses Luise bestritten wurde und noch wird, die aber auch die Kleiderkammer der Diakonie mit bestreiten, dort die gespendeten Kleider annehmen, sortieren und verkaufen, stecken genauso in dieser Zahl drin. Meine Zeit ist begrenzt, aber ich könnte noch ziemlich lange darüber reden, was alles in dieser Zahl drinsteckt, auf die ich hinweisen möchte. Aber ich muss ja noch zur tragischen Pointe der Geschichte kommen: Da wo dieses Jahr 2,314 Millionen steht, stand im letzten Jahr 4,923 Millionen. Das heißt konkret, dass über 50 Prozent der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik in Offenbach wegfallen und dass wir sehr viele Menschen, die in Arbeit kommen könnten, dabei nicht mehr unterstützen können. Das heißt konkret auch, dass die oben genannten Beispiele, neben vielen anderen Maßnahmen, die ich nicht genannt habe zur Disposition stehen, dass sie gekürzt oder gestrichen werden müssen. Ich bin ganz offen: Ich empfinde das als Katastrophe. Wir verlieren damit auf einen Schlag immens wichtige Bestandteile unserer sozialen Infrastruktur. Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde das eine Katastrophe und genau wie der Sozialdezernent, der auf dieses Problem schon hingewiesen hat, beobachten wir Grüne diese Entwicklung schon seit einigen Wochen und Monaten mit großer Sorge. Wir haben auf Bundes- und Landesebene auf das Problem hingewiesen und suchen weiter nach Wegen, das Problem abzumildern. Zur Wahrheit gehört in diesem Fall aber auch, dass die Problemlage nicht pauschal auf Kürzungen und Verschiebungen zurückzuführen ist, sondern sich aus dem Zusammenfallen einer Reihe von Parametern ergibt, die in Offenbach sehr ungünstig zusammenfallen. Und hier möchte ich gleich ein paar Worte an die Freund:innen von den Linken richten: Ich habe ja eben gesagt, dass ich mich als Haushälter mit den Zahlen beschäftige und als Sozialpolitiker damit, was diese Zahlen heißen. Ich habe heute Eure Pressemitteilung zum Thema wahrgenommen und würde Euch daher ans Herz legen, Euch auch mal mit den Zahlen in ihrer Gesamtheit auseinanderzusetzen. Dann würdet Ihr nämlich lesen, dass die Zuweisungen des Bundes zwar zurückgegangen sind, von geplant 11,45 Millionen in 2023 auf geplant 9,297 Millionen in 2024. Ja, richtig, es gab Kürzungen. Aber dann wäre Euch sicher aufgefallen, dass das zwei Millionen sind, im Eingliederungstitel aber laut Euch am Ende vier Millionen weniger bei den Leuten ankommen. Es ist also nicht alles auf Einsparungen zurückzuführen. Außerdem hat die Bundesregierung aus diesem Bereich noch Reha-Maßnahmen und Weiterbildungsmaßnahmen an die Agentur für Arbeit übertragen. Das heißt, da stehen geringeren Einnahmen, geringer Aufgaben gegenüber. Deshalb, liebe Freund:innen von der Linken, würde ich Euch bei aller gerechtfertigten Empörung bitten, die Lauterkeit zu wahren und nicht einfach mal mit dem Finger nach Berlin zu zeigen. So schlicht ist die Wirklichkeit nicht. Mir als Kommunalpolitiker ist das aber ein sehr schwacher Trost, dass die Schuldfrage nicht so einfach zu klären ist und das Problem ein Komplexes ist. Mir bleibt nicht viel als mich weiter dafür einsetzen, dass es noch Verbesserungen für Offenbach gibt. Wie so oft bleibt mir daher fast nur der Appell an die übergeordneten Ebenen, unsere besondere Situation anzuerkennen und auch zu berücksichtigen, dass es eine extrem schlechte Idee ist, den Menschen im SGB II System keine Perspektive auf einen Ausweg aus ihrer Situation zu bieten. Am Ende ist es eben ein Gradmesser für die Solidarität in einer Gesellschaft, wie denen geholfen wird, die es gerade schwer haben. In rauen Zeiten wie diesen braucht es mehr Solidarität und mehr Zusammenhalt, nicht weniger. Wir stimmen dem Wirtschaftsplan natürlich zu, im Wissen darum, dass er nicht das enthält, was sinnvoll und notwendig wäre, sondern nur das, was machbar ist.