„Die Stadt muss zum Schwamm werden“ 16. August 202116. August 2021 Kein gutes Beispiel: Hier wurde eine Fläche durch Plastikfolie versiegelt, das Regenwasser kann nicht versickern Auf einem Spaziergang durch das Nordend hat Offenbachs grüne Fraktion lokalen Pressevertreter*innen vorgestellt, wie sich die Stadt auf zukünftige Klimaveränderungen einstellen kann und muss. „Wir haben zwei konträre Probleme: Einerseits ist es auf längere Perioden immer wieder viel zu trocken, andererseits bringt uns Starkregen zu viel Wasser auf einmal,“ erläutert die Fraktionsvorsitzende und Hydrologin Dr. Sybille Schumann. Die enorme Trockenheit 2019 und 2020 hat vielerorts Bäume im Stadtgebiet geschädigt und absterben lassen, beispielsweise im Schlosspark Rumpenheim. Gleichzeitig bringen Starkregenereignisse Überschwemmungen und überlasten die Kanalisation. Das zeigt sich vor allem an den Tiefpunkten Offenbachs – vor dem Isenburger Schloss oder auch an den S-Bahnunterführungen und in den Kellern vieler Bürgerinnen und Bürger. „Beide Phänomene haben die gleiche Ursache: den Klimawandel,“ sagt Schumann. In Offenbach fließt ein Großteil des Regenwassers direkt in das Kanalsystem, eine getrennte Regenwasser-Kanalisation gibt es fast nirgends, eine bauliche Nachrüstung wäre zu aufwändig. Ohnehin gilt: Regenwasser-Rückhaltung und das Versickern vor Ort sind eindeutig die Mittel der Wahl. „Die Stadt muss zum Schwamm werden,“ fasst Schumann zusammen. Ausgehend von dieser Analyse wurden konkrete Beispiele im Nordend angeschaut. Ein besonders positives ist das Goethequartier, das sich aus Sicht der Grünen zur Nachahmung empfiehlt: Bereits im Bebauungsplan hatte die Stadt entsprechende Vorgaben festgelegt, so dass trotz der hohen Versiegelung eine weitgehende Regenwasserrückhaltung erreicht wird. Dieses Projekt gilt als richtungsweisend über die Grenzen Offenbachs hinaus: Das Regenwasser wird auch bei 35 Litern Regen in einer Stunde noch vor Ort zurückgehalten. Für das Goethequartier bedeutet das grob überschlagen bei einem Starkregenereignis von beispielsweise 25 Litern pro qm in einer Stunde eine Menge von 425.000 Litern, die nicht in die Mischwasserkanalisation gelangen. Um das zu erreichen, wurden alle Dachflächen begrünt und die innen liegenden Hofflächen, unter denen sich Tiefgaragen befinden, mit einer Erdschicht von 80cm bedeckt. Starkregen, der nicht mehr komplett vom Erdreich aufgenommen werden kann, läuft in Rückhalteboxen und von dort langsam an die Bepflanzungen. Zur Straßenseite hin versickert das überschüssige Wasser in Vorgärten und kann ebenfalls über unterirdische Wasserspeicher zurückgehalten und anschließend versickert werden. Die Dachbegrünung speichert das Regenwasser und ein Großteil davon verdunstet auch über die Pflanzen. „Das macht sich klimatisch bemerkbar,“ weiß Zijad Dolicanin, der selbst Anwohner und grüner Stadtverordneter ist. „An heißen Tagen will man kaum aus dem Haus, weil der Unterschied zwischen der gefühlten Temperatur im Goethequartier und im sonstigen Nordend äußerst positiv ist.“ Die grüne Fraktion setzt sich daher auch bei künftigen Bauprojekten für eine umfangreiche Dachbegrünung und die Versickerung vor Ort ein. Sie will erreichen, dass eine Versiegelung von Grünflächen z.B. mittels wasserundurchlässiger Planen unter Schotter oder Mulchflächen, nicht mehr stattfindet. Ein aktuelles Beispiel, dass solches in Offenbach leider noch vorkommt, konnte im Rahmen des gleichen Spaziergangs in der Lillistraße besichtigt werden. Auch bei der Dachbegrünung gibt es Nachholbedarf. „Bei Bebauungen muss es zur Regel werden, dass Regenwasser durch Gründächer und Anpflanzungen zurückgehalten, sowie vor Ort versickert wird. Wir Grünen sind überzeugt, dass wir nur auf diesem Weg unsere dicht bebauten Quartiere lebenswert erhalten, einen ausreichenden Grundwasserspiegel für unsere Bäume schaffen und uns besser vor Überschwemmungen und vollgelaufenen Kellern schützen können,“ so Schumann abschließend.