Vor dem Hintergrund explodierender Mieten, wachsender Wohnraumnot und ambitionierter Klimaziele hat die Grünen Stadtverordnetenfraktion Offenbach am vergangenen Dienstagabend zur Podiumsdiskussion „Under Construction – Wohnen zwischen Ökologie und Bezahlbarkeit“ in den Hafen 2 eingeladen. Moderiert vom Grünen Stadtverordneten Zijad Dolicanin diskutierten Expertinnen aus Wohnungswirtschaft und Wissenschaft darüber, wie sich ökologische Anforderungen und soziale Gerechtigkeit im Wohnungsbau verbinden lassen.
Daniela Matha, Geschäftsführerin der ABG FRANKFURT HOLDING, berichtete aus der Praxis der kommunalen Wohnungswirtschaft. Insbesondere bei Neubauten seien die Kosten zuletzt aus dem Ruder gelaufen – auch durch eine Überregulierung des Bausektors.
Die Stadtforscherin Tabea Latocha von der Bauhaus-Universität Weimar warnte vor den sozialen Folgen einer verfehlten Wohnraumpolitik, denn: „Das ist das Zuhause von Menschen!“ Sie sprach sich für eine langfristige Bindung von gefördertem Wohnraum aus – idealerweise gekoppelt mit ökologischer Sanierung. So könnten beide Ziele gemeinsam erreicht werden.

Dr. Sibylle Braungardt vom Öko-Institut Freiburg forderte, die Energiewende im Gebäudesektor konsequent sozialverträglich zu gestalten. Eine Sanierung müsse nicht zwangsläufig zu hohen Mietsteigerungen führen – häufig sei aber der Profitgedanke der Preistreiber. Braungardt wies auch darauf hin, dass bei Sanierungen im Bestand Mittel der sozialen Wohnungsbauförderung stärker genutzt werden müssten, weil das die Mietpreise stabilisiere. „Vor diesem Hintergrund ist es tragisch, dass gerade in diesem Jahr in Offenbach einige solche Projekte eine Absage des Landes erhielten“, kritisiert Tobias Dondelinger, Fraktionsvorsitzender der Grünen.
In der Diskussion wurden zentrale Problemfelder und offene Fragen benannt – beispielsweise die Rolle der Modernisierungsumlage als Mietpreistreiber oder die Frage, ob eine Förderung günstigeren Wohnraum schaffen oder eher Menschen finanziell in die Lage versetzen sollte, sich Wohnraum leisten zu können. Die drei Expertinnen brachten auch konkrete Lösungsansätze mit – etwa die Idee einer Sanierungspflicht, um jahrelangen Verfall zu verhindern. Ebenso wurde vorgeschlagen, die Bindung von Wohnungen an den sozialen Wohnungsmarkt mit energetischen Sanierungen zu koppeln. Um den Druck aus dem Wohnungsmarkt zu nehmen, sei auch zusätzliches Bauland notwendig, auf dem hochwertiger, aber dichter Wohnraum entstehen könne, empfahl Daniela Matha – ein Appell, der sich deutlich an die Politik richtete. Ein Punkt, der vom Publikum kontrovers aufgenommen wurde – ebenso wie die Idee der Vergesellschaftung von Wohnraum, die Tabea Latocha ins Spiel brachte.
Alle drei Expertinnen waren sich einig, dass soziales und ökologisches Bauen keine Gegensätze sein müssen. Allerdings sei die Politik gefragt, die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um beides zusammenzubringen.
Tobias Dondelinger will sich dieser Aufforderung gerne annehmen: „Es ist keine Frage des ‚Entweder-oder‘! Wir müssen Klimaschutz und Bezahlbarkeit möglich machen! Vielleicht ist dafür auch etwas mehr Mut gefragt: Zweckentfremdungsregelungen, Milieuschutzgebiete und eine Leerstandssatzung dürfen keine Tabus bleiben. Aber natürlich schaffen wir das kurzfristig auch nicht, wenn Bund und vor allem Land nicht das nötige Geld bereitstellen, um Wohnraum sozial zu fördern. Am Ende muss alles, was wir tun, dem Ziel dienen, dass in Zukunft die Menschen in Offenbach gut und bezahlbar wohnen können.“
Im Anschluss an das Podium stellten sich mit CreativHäuser, LaRo5 und Wir.Raum.OF drei Offenbacher Initiativen für gemeinschaftliches und selbstorganisiertes Wohnen vor – ein Angebot, das vom Publikum rege genutzt wurde, um ins Gespräch zu kommen. Der Austausch mit Interessierten zeigte, wie groß das Bedürfnis nach neuen Wohnformen und Beteiligung ist – und wie viel Potenzial in der Offenbacher Stadtgesellschaft steckt.
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