Rede unserer Stadtverordneten Dr. Sybille Schumann zum Magistrats-Antrag „Ertüchtigung der Main-Winterdeiche im Zuständigkeitsbereich der Stadt Offenbach“

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Dr. Sybille Schumann

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, werte Kolleginnen und Kollegen,

heute werden wir uns nun hoffentlich zum letzten Mal mit der Ertüchtigung des Maindeiches im Bereich der Offenbacher Innenstadt befassen. Und zwar bevor die Ertüchtigungsmaßnahmen endlich beginnen. Ich erspare uns allen hier die lange Historie. Ich will aber dennoch zu einigen Aspekten und insbesondere dazu, warum es wirklich an der Zeit ist, die fehlenden gut 1,8 km Deich noch zu ertüchtigen, etwas sagen:

Seit Beginn der Befassung mit diesem Thema in 2011 sind fast 14 Jahre vergangen. Und wir haben wirklich bisher totales Glück gehabt, dass ein solches Hochwasser, – nämlich ein sogenanntes 200jähres Hochwasser – für welches der Damm entsprechend ausgelegt werden soll, uns zwischenzeitlich nicht ereilt hat! Andere Regionen waren von extremen Hochwasserwasserkatastrophen, so zum Beispiel im Jahr 2021 schwer betroffen: Das Ahrtal, weitere Eifel-Regionen sowie die Städte Trier, Hagen und Wuppertal, weiterhin die Kreise Euskirchen, der Rhein-Sieg-Kreis und Teile des Bergischen Landes. Auch in Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen gab es in diesem einen Jahr 2021 Hochwasserschäden und Hochwasser-Tote. Allein im Ahrtal sind 135 Menschen ums Leben gekommen. Menschen, die einfach so, und ohne dass jemand damit gerechnet hätte oder darauf vorbereitet war, aus dem Leben gerissen wurden.

Für das selbe Jahr 2021 beliefen sich zu dem die geschätzen monetären Infrastrukturschäden, welche durch Hochwasserereignisse verursacht wurden, in Deutschland auf (festhalten!) 5,5 Milliarden Euro. Was für eine Summe! In den zwei Jahrzehnten zuvor war es in Deutschland bereits zu Hochwässern mit massiven Schäder gekommen, und zwar in den Jahren 2002 und 2013, so wie zuletzt zur Jahreswende 2023/24. Also drei massive Hochwasserjahre (2013, 2021, 2023/24) seit dem wir in 2011vom RP aufgefordert wurden, den Damm zu ertüchtigen, In Offenbach blieben wir im Großen und Ganzen verschont. Die letzten relevanten Hochwässer, bei denen es auch zu expliziten Hohwasserschutzmaßnahmen gekommen ist, waren in 2003, 2017 und im Januar 2024. Diese und die hier verursachten Schäden waren glücklicherweise jedoch harmlos im Deutschland-Vergleich.

Zur Einordnung, warum es wahrscheinlicher wird, dass auch wir in Offenbach von einem starken Hochwasser betroffen werden können, lohnt es sich, darüber zu sprechen, wie die Rahmenbedingungen und Ursachen für die Entstehung solcher Hochwässer sind, und warum sich diese verschärfen. Die Hauptursache aktuell liegt an der Klimaveränderung, mit höheren, und stetig weiter steigenden Temperaturen. 2024 war wieder ein Rekordjahr-  direkt auf 2023 folgend war es wieder das wärmste Jahr seit Messbeginn. Wir liegen gemäß DWD nzwischen bei +2,7 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990. Und im Vergleich zur aktuellen und wärmeren Vergleichsperiode 1991 bis 2020 betrug die Abweichung + 1,6 Grad. Mit höheren Temperaturen in der Atmosphäre kann dies auch mehr Wasser speichern. Mit jedem zusätzlichen Grad ca. 7%. Und dieses Wasser aus der Atmosphäre regnet dann auch irgendwann mal ab. Etwas später, aber insgesamt heftiger, entweder in der Dauer oder in der Intensität. Wie genau und mit welcher räumlichen und zeitlichen Verteilung sich das Niderschlagsgeschehen in Deutschland entwickelt, ist aktuell statistisch noch nicht gesichert. Relevant ist jedoch, dass Hochwässer intensiver werden können, und dies hat die Zunahme der heftigen Hochwässer in Deutschland in den letzten Jahren auch gezeigt. Zu dem führen lange Trockenperioden zwischen Regenereignissen und Hitze zu sehr trockenem Boden. Wenn es hierauf dann regnet, kann der Boden keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen und das Wasser läuft schnell ab – direkt in die Bäche und Flüsse oder innerstädtisch meist über die Kanalistion in die Flüsse. Es liegt zusätzlich natürlich auch an der bereits vortgeschrittenen und weiter vortschreitenden Flächenversiegelung, so dass es insgesamt zu viel mehr Oberflächenabfluss und weniger Rückhalt durch Versickerung kommt. Insgesamt könnte ich darüber ewig sprechen, möchte aber als einen weiteren Punkt nur noch erwähnen. Nämlich dass die Hochwässer zu dem durch die Flussbegradigungen, welche ihre Hochzeit in den letzten 40 Jahren hatten, begünstigt wurden weil das Wasser nicht mehr in den natürlichen Überflutungsflächen zurück gehalten wird.

Offenbach macht viel richtig, und ich möchte in diesem Zusammenhang in Bezug auf den Schutz der Offenbacher und Offenbacherinnen, deren Lebensgrundlagen und deren Hab- und Gut dies besonders herausstellen: Wir haben Hochwassergefahrenkarten, so dass jede sich informieren kann, wo die besonders gefährdeten Zonen sind. Wir versuchen lokal das Klima zu schützen, um die Geschwindigkeit der weiteren, globale Erderwärmung zu dämpfen indem wir die CO2-Emissionen verringern durch Elektrobusse im ÖPNV, des geplanten Kohleausstiegs, der Solarinitiative bei GBO und städtischen Gebäuden und der Dämmung von Gebäuden. Wir versuchen so viel Wasser wie möglich in der Stadt zu halten und nicht in die Kanalisation abzugeben. Hierfür steht der Schwammstadtbeschluss und die Niederschlagswassersatzung. Wir bauen und fördern Zisternen. Wir erhalten die Überschemmungsflächen in der Mainschleife bei Rumpenheim, renaturieren den Hainbach und stärken damit die Versickerung und entschleunigen den Abfluss. Alles Punkte, die wir Grünen besonders versuchen voran zu treiben, – zum Wohle und zum Schutz der Gesellschaft. Und wir sind sehr froh, dass der ein- oder andere Beschluss durch die meisten hier im Hause entsprechend mitgetragen wird. Zum Wohle von uns allen und von allen Offenbacherinnen und Offenbachern. Daran müssen wir festhalten und immer wieder darauf achten, dass wir alle dazu beitragen diese Beschlüsse auch zu achten. Denn sie sind so wichtig, um langfristig Schaden und Kosten abzuwenden oder wenigstens zu mindern.

Und auch Frankfurt macht vieles richtig. Insbesondere dankbar müssen wir sein, dass Frankfurt den Fechenheimer Mainbogen, unsere größte Hochwasserrückhaltefläche, welche den Hochwasserpeak in Offenbach erheblich mindert und den Deich entlastet, nicht irgendwann bebaut hat. Zum Beispiel, weil es eigentlich auch ein wunderbares, flussnahes Wohngebiet wäre.

Und was machen wir noch richtig? Wir fühlen uns Bürger:innenbeteiligung verpflichtet und wir erhalten so viele Bäume wie möglich – auch auf dem Deich. Das ist auch wichtig, weil diese optisch ansprechend sind, bei Hitze Schatten und insgesamt Erholung spenden. Und wir werden neue Bäume anpflanzen. Auf dem ertüchtigtem Deich. Denn ca. 160 plus zusätzlich 54 Bäume werden gefällt werden müssen. Und entgegen der OFA sind wir sicher, dass unsere Verwaltung alles getan hat, um so viele Bäume, wie bautechnisch irgend möglich, zu erhalten.

Der beschlossene, bestmögliche Baumerhalt hatte ein weiteres Gutes: Auch um dieses umsetzen zu können, wurden technische und wirtschaftlichen Aspekte weiter untersucht und angepasst. Der nun erfolgende Einsatz einer neuen Technologie gefährdet nun nicht nur das Wurzelwerk der bestehenden Bäume weniger, da die Bohranker nun schräger (bis zu 50° Neigung) als sogenannte Litzenanker und damit tiefer unter dem Wurzelbereich eingebracht werden können. Sie erlaubt auch den Verzicht auf ca. 200 Bohrpfähle in der Mainstraße und beschert uns damit eine Kostenreduktion von gut 1 Mill €. Gleichzeitig reduziert diese Bauweise die Beeinträchtigung des Verkehrs der Mainstraße in der Bauzeit.

Abschließend sei noch erwähnt, dass wir aufgrund der zeitlichen Verzögerung bei der notwendigen Aufnahme der Kreditmarktmittel auch hier eine Verbesserung haben: Die Finanzierung der Kreditmarktmittel läuft über die inzwischen beschlossenen grünen Schuldscheine. Die schlechte Nachricht lautet. Weil es so lange gedauert hat, sind die Kosten für die Deichertüchtigung, so wie Baukosten generell, erheblich gestiegen. Insofern wäre eine wirklich gute und noch bessere Nachricht, wenn das Land seiner Verantwortung nachkommen würde, uns angemessen bei der Umsetzung zu unterstützen und die Fördermittelsumme relevant zu erhöhen. Ich bitte die Kolleginnen der CDU und der SPD eindringlich darum, sich dafür bei der Landesregierung stark zu machen! Ich habe dies bei einer gemeinsamen Hochwasser- und Deichtour unserer Landtagsabgeordneten Martina Feldmayer schon mitgegeben, und ich gebe dies hier an dieser Stelle auch Dir Olli Stirböck für den Landtag mit. Nur: – Die FDP und wir Grünen befinden sich im Land so wie auch im Bund in der Opposition. Daher dieser explizite Appell an die SPD mit der Landtagsabgeordneten Nadine Gersberg und die CDU und speziell in Ihrer Person an unsere Kollegin KimSarah Speer. Bitte versucht darauf hin zu wirken, dass Überschwemmungs- und Katastrophenschutz in den Kommunen eine hinreichende Gegenfinanzierung braucht- aus dem Land und gegebenfalls mit erweiterter Gegenfinanzierung aus dem Bund, und dass wir in Offenbach darauf angewiesen sind!

Ich danke Euch – auch für die Zustimmung zu dieser Vorlage.

Bleibt nur noch zu sagen, dass wir den Änderungsantrag der OFA ablehnen werden, und zwar ohne echte inhaltliche Befassung. Denn eine Annahme würde verursachen, dass eine neue Planfeststellung erforderlich würde. Warum wir uns eine solches neues Planfeststellungsverfahren, mit einer hieraus resultierenden weitreichenden Projektverzögerung nicht gut heißen können, ergibt sich wie selbstverständlich aus meiner Rede.

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