Rede unserer Stadtverordneten Hülya Selcuk-Tuna zum Antrag „Aktionsplan gegen Kinderarmut“

Stadtverordnete Hülya Selcuk-Tuna

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer sich die Pressemeldungen der letzten Woche ansieht stößt auf zahlreiche Titel wie „Deutschland hat ein Armutsproblem“, „Tafeln verzeichnen Rekordzulauf“ oder „Riesenandrang bei Tafeln“. Wellenartig flammt das Thema in den Medien immer mal wieder auf und wirft ein mahnendes Auge auf die immer kleiner werdende Mittelschicht in unserem Land.

Armut ist in Deutschland ein immer größer werdendes Thema und Problem. Die Zahlen der Menschen, die von Armut betroffen oder bedroht sind, steigen jährlich.

Ganz besonders hart trifft es dabei unsere jüngsten der Gesellschaft. Bereits Anfang dieses Jahres hat der Autor Olivier David mit seinem Buch „Keine Aufstiegsgeschichte – Warum Armut krank macht“ eine erneute Armutsdebatte angestoßen, indem er davon erzählt, wie sich Armut und psychische Erkrankungen bedingen und von Generation zu Generation weitervererbt werden. Es ist eine persönliche Geschichte, die zeigt, dass eben nicht jede:r aufsteigen kann, der sich auch anstrengt und das wir von Chancengleichheit noch ein weites Stück entfernt sind.

Es ist bewiesen, dass Kinder im Alter von 8-10 Jahren aus Elternhäusern, die gering verdienend sind, sich schon in diesem Alter für den Rest ihres Lebens benachteiligt fühlen. So entsteht ein Empfinden der Stigmatisierung, dass sich dauerhaft bei den Kindern einprägen kann, oft ein Leben lang.

Selbstverständlich kennt jeder von uns aus Medien oder privatem Umfeld auch die eine oder andere Erfolgsgeschichte. Diejenige Person, die es mit harter Disziplin und großem Ehrgeiz geschafft hat, sich nach oben zu arbeiten. Genau diese eine Erfolgsgeschichte, genau dieser Person wird dann immer in Debatten als Beweis dafür verwendet, dass der Aufstieg eben doch möglich ist. Sie wird gerne und häufig erzählt.

Die Geschichten des Scheiterns allerdings, die vergleichsweise leider häufiger vorkommen, die sind genauso häufig unbekannt. Sie werden nicht nur seltener erzählt, sie stehen auch seltener im Mittelpunkt und sind auch weniger interessant anzuhören.

In Offenbach sind circa ¼ der Kinder von Armut betroffen. Und glaubt man zahlreichen Statistiken und Auswertungen, werden viele von ihnen ihr Leben lang auch arm bleiben.

Wir sind uns selbstverständlich darüber bewusst, dass wir das auch mit diesem Antrag nicht gänzlich ändern werden können. Aber wir können zumindest einiges dazu beitragen, dass es vielleicht nicht ganz so viele werden.

Mit diesem Antrag wollen wir eine bessere und intensivere Koordination und Vernetzung der verschiedenen Akteur:innen und Organisationen erreichen. Und es geht darum so niedrigschwellig wie möglich Gesprächsangebote zu schaffen, um den Familien die Hilfen anbieten zu können, die sie brauchen. Im Kampf gegen Kinderarmut kann es keine Schmalspurlösungen geben. Es wird ein gutes Stück Arbeit, die sich aber lohnen wird.

Ich will nicht unerwähnt lassen, dass die Bundespolitik hier am Hebel sitzt und wir endlich eine eigenständige Kindergrundsicherung brauchen, die allen Kindern Unterstützung und Teilhabe garantiert, egal wie hoch das Einkommen ihrer Eltern ist.

Dennoch sollten wir vor Ort zumindest das tun, was wir beeinflussen und wirklich verändern können für eine gerechtere Gesellschaft.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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