Rede von unserer Stadtverordneten Sabine Leithäuser zur Stellplatzsatzung

Stadtverordnete und USV-Vorsitzende Sabine Leithäuser

Was lange währt wird endlich gut, das Warten hat sich gelohnt, wir haben eine moderne und wohldurchdachte Stellplatzsatzung vor uns.

Schon die alte Satzung war modern und vorbildhaft, jetzt wird sie weiterentwickelt und an die heutigen Anforderungen angepasst.

Eine Stellplatzsatzung berührt viele Belange: sie muss auf ein verändertes Mobilitätsverhalten reagieren, ist eine Stellschraube im Klimaschutz, sie hat Einfluss auf die Stadtentwicklung und last not least auf die Teilhabemöglichkeit von Menschen mit Handicap.

Früher war das einfacher.

Den Vorläufer der Stellplatzsatzungen finden wir in der Reichsgaragenordnung von 1936; als der Volkswagen startete,  sollte der Autoverkehr gestärkt werden, man erwartete und betrieb ein geändertes Verkehrsverhalten und dafür sollte Platz  in der Stadt geschaffen werden,  kurz: es wurde die autogerechte Stadt vorbereitet.

Dieses Ziel wurde erreicht!

In den nachfolgenden Stellplatzsatzungen ging es vor allem um den Stellplatzschlüssel, es galt, den Bedarf an Stellplätzen bei Neubauten möglichst realitätsnah zu ermitteln, denn es ist nicht Aufgabe der Kommune, für Stellplätze zu sorgen.  Ziel war, den öffentlichen Raum zu schützen.

Auch dieses Instrument wirkte, wie sähen unsere Städte wohl aus, wären nicht die vielen privaten Stellflächen und Tiefgaragenplätze gebaut worden.

Es fällt dabei schwer, sich das vorzustellen, verhinderte Katastrophen werden nicht wahrgenommen. Wer Deiche baut, bekommt weniger Aufmerksamkeit und Applaus, als der, der mannhaft und mit  Gummistiefeln sich in die eingetretene Katastrophe begibt.

Aber man kann festhalten: Stellplatzsatzungen haben einem Verkehrskollpas vorgebeugt bzw ihn zumindest abgeschwächt.

Die nächste Phase waren die Einschränkungssatzungen, denn eine Mobilität, die allein auf das Auto setzt, kann schlicht nicht funktionieren, soviel Fläche ist gar nicht vorhanden.

Ohne Stellplatz verliert das Auto in den Innenstädten an Attraktivität und – flankiert vom Ausbau des ÖNV, Jobticket, P&R-Plätzen – kommt mittlerweile ein großer Anteil der Beschäftigten in den Innenstädten mit Bahn, Rad oder zu Fuß ins Büro und  die Innenstädte wurden entlastet bzw vor dem Kollaps bewahrt.  Bahn, Bus, Rad und die Füße sind in der Stadt die komfortabelsten und effektivsten Fortbewegungsmittel.

Im Wohnungsbau funktionierte die Einschränkung nicht bzw anders.

Gab es anfangs die Hoffnung, dass auch private Haushalte ihren PKW-Besitz überdenken, wenn kein Stellplatz zur Verfügung steht, musste festgestellt werden: diese Hoffnung  wurde  nicht erfüllt. Der PKWschlüssel/Haushalt blieb , ja die Zahl der PKW in den Städten stieg sogar weiter und vor allem wurden auch hier die PKWs sogar größer und schwerer. Gleichzeitig erlaubte die Reduzierung oder auch Lockerung (ja, was für den einen eine Einschränkung ist, bedeutet für den anderen eine Lockerung)  den  Investoren, dass sie dichter bauen konnten und auch der Wohnungsmix zugunsten kleinerer Wohnungen geändert werden konnte. Mit den Folgen eines weiteren Drucks auf die Stellplätze im öffentlichen Raum.

Im Ergebnis haben wir also zwei gegenläufige Wirkungen, eher positiv in den Innenstädten, im Wohnungsbau eher negativ.

Und wie sieht es heute aus?

Heute haben wir mehr und andere Probleme und Anforderungen: Klimakrise, Schadstoffbelastung, verändertes Mobilitätsverhalten im Wandel, Flächenkonkurrenz, die Krise der Innenstädte, wir wollen eine Stadt der Teilhabe sein, die keinen ausschließt.

Mit alle diesen Punkten muss eine moderne Stellplatzsatzung umgehen.

Hört sich an wie eine Quadratur des Kreises? Ist auch so.

Nun, wie stellt sich die Stellplatzsatzung diesen Aufgaben?

Nun, zum Klima und der Schadstoffbelastung – der Verkehr hat wesentlichen Anteil an den Luftschadstoffen –  ist es das Gebot der Stunde, die Stellplätze fit zu machen für Elektromobilität.  Gemäß der Satzung ist hier für eine ausreichende Ladeinfrastruktur zu sorgen. Ein weiteres Bsp für den Klimaschutz:  bei der Ausgestaltung insbesondere der oberirdischen Stellplätze ist darauf zu achten, dass möglichst gering versiegelt wird und dass Bäume gepflanzt werden.

Sowohl unter Klimaschutz und Schadstoffreduzierung, aber auch unter den Punkt aktuelle Mobilitätsentwicklung fällt die Förderung von Radverkehr.

Immer mehr Menschen fahren mit dem Rad. Es ist häufig das effektivste Verkehrsmittel, es macht Spaß, hält lange fit, entlastet unser Gesundheitssystem und natürlich entlastet es unsere Straßen. Radfahrende haben den Anspruch, sicher und flüssig von a nach b zu kommen. Dafür hat die Stadt zu sorgen.

Die Nutzung des Rads beginnt mit einem sicheren und funktionalen Stellplatz. Als ich in das RheinMaingebiet gezogen bin, habe ich mir das Radfahren erstmal abgewöhnt, ein Punkt: ich hatte keinen zumutbaren Abstellplatz für mein Rad – ein Rad immer aus dem Keller hieven, das überlegt man sich zweimal –  bevor man dann doch lieber U-Bahn oder Auto nimmt.

Die Satzung fordert eine ausreichende Zahl von barrierefrei erreichbaren Fahrradstellplätzen und berücksichtigt auch die Zunahme an Sonderrädern, z.B. Lastenräder aber auch Räder für Personen mit Handicap.

Besonders hervorzuheben sind noch die Regelungen zu den Mobilitätskonzepten. Dieses Angebot gab es schon in der alten Satzung und wurde jetzt weiterentwickelt. Wenn Bauherrn ein Mobilitätskonzept vorlegen, dessen Umsetzung dauerhaft gesichert ist, dann können sie vom Stellplatzschlüssel abweichen. Sie sind es, die den Schlüssel dafür in der Hand haben.  Darunter können z.B.  Car- und Fahrradsharing fallen, Angebote von Jobtickets oder Anwohnertickets und es ist offen für weitere überzeugende Ideen.
Damit können wirkgenauer die tatsächlichen Mobilitätsansprüche abgebildet und umgesetzt werden.

 Diese Möglichkeit richtet sich an die Bauherren und soll ihr Engagement erhöhen, über neue realistische Mobilitätskonzepte selbst nachzudenken und sie tatsächlich umzusetzen.

Es ist eine Ermöglichungsregelung.

Alles in allem ist es eine sehr gute und moderne Satzung, aber ein Problem möchte ich benennen, das die Stellplatzsatzung nicht löst:  es ist die Gerechtigkeitslücke:  wer zahlt?

Die Herstellung von Stellplätzen und Tiefgaragenplätzen kostet gerade in Innenstädten viel Geld. Solange die Mentalität herrscht, dass Parken kaum etwas kosten darf und solange auch das Parken in Innenstädten nahezu kostenfrei ist, können die privaten Stellplätze nicht zu einer angemessenen Kostenmiete vermietet werden. Die Folge: Die Kosten werden auf die Wohnbaukosten umgelegt, das kann zu einem Mietanteil von 5-10% führen. Dieses Geld zahlen dann die Mieter, ob sie selbst ein Auto haben oder nicht, bzw zahlen wir das alle – nämlich über Steuermittel im geförderten Wohnungsbau.

Nun ist das Geld so versteckt, dass es kaum jemand direkt merkt. Wenn die Parkgebühren steigen, merken die Autofahrer das sofort und es gibt einen großen Aufschrei. Mehr Transparenz könnte hier helfen.

Die Frage ist auch noch verknüpft mit einem anderen zentralen Punkt unserer Stadtentwicklung. Die Innenstädte unterliegen einem starken Veränderungsdruck, sie funktionieren nicht mehr so wie früher.

Um die Innenstadt attraktiv zu machen gilt das Zauberwort „Steigerung der Aufenthaltsqualität“ wir brauchen angenehme Räume, mehr Bäume gegen die Hitze, mehr Orte der Begegnung und Teilhabe.

Eine Stadt, die vom Parkverkehr dominiert wird, ist nicht attraktiv und heizt sich stärker auf. Auch Geschäfte profitieren nicht davon. Es gibt Untersuchungen, die nachweisen, dass Geschäfte, vor denen keine Autos parken, deren Schaufenster also gut sichtbar sind, höhere Umsätze machen. In meiner Heimatstadt kenne ich Geschäfte, die gegen die Parkplätze vor Ihren Läden kämpfen, aber auch in Offenbach ist uns dieser Wunsch nach besserer Sichtbarkeit der Schaufenster von Geschäftsinhabern schon zugetragen worden.

Solange Stellplätze auf Privatgrundstücken leer stehen, weil sie zu teuer erscheinen oder auch allein aus Bequemlichkeit nicht genutzt werden, weil das Parken auf der Straße kostengünstig und einfach ist, solange ist etwas falsch im System.

Hier braucht es eine Parkraumbewirtschaftung, die sich zum Ziel setzt, die Stadt attraktiver zu machen, die hilft sie funktionsfähig zu halten, z.B.  hat der notwendige Lieferverkehr große Schwierigkeiten. Wir brauchen eine Parkraumbewirtschaftung, die es unterstützt, dass die privaten Stellplätze auch tatsächlich genutzt werden und ihrem Zweck dienen: der Entlastung des öffentlichen Raums. Ansonsten gehen auch die Stellplatzsatzungen ins Leere.

Hier liegt ein großes Potential: Es gibt beeindruckende Zahlen aus dem Bereich Anwohnerparken, sobald Anwohnerparken umgesetzt wird, kehrt ein zweistelliger Prozentsatz der Anwohner auf ihren ohnehin vorhandenen Stellplatz zurück oder ist bereit, einen privaten Stellplatz anzumieten.  Für Besucher und Serviceverkehr bleibt eine bessere Parkmöglichkeit. Und ggf kann man Flächen für andere dringend benötigte Nutzungen freimachen.

Ohne Parkraumbewirtschaftung ist das Instrument der Stellplatzsatzung weniger wert, ist die Wirkung einer Stellplatzsatzung geringer als sie sein könnte und sollte.

Wir bleiben dran.

Aber jetzt danken wir dem Magistrat für die Vorlage dieser Satzung und stimmen dem Antrag zu.

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