Rede unserer Stadtverordneten Sabine Leithäuser zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Bieber Waldhof West“

Stadtverordnete und USV-Vorsitzende Sabine Leithäuser

Aufhebung des Beschlusses 2021-26/DS-I(A)0094 zur städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „Bieber Waldhof West“

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,

Was hat denn die Ofa da wieder beantragt: Das Verfahren der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme für das Baugebiet Bieber West soll aufgehoben werden? Und mit welcher Begründung? Mit Behauptungen, die nun wirklich jeder Grundlage entbehren! Dazu noch rechtlich zweifelhafte Bedenken!

Um es kurz zu fassen: Wir sehen da keine rechtlichen Bedenken!

Tatsache ist: Der Antrag zielt allein auf das Verfahren – und das ist nun mal gesetzlich geregelt. Ein eher trockenes Thema, aber keine Sorge: Ich erspare uns hier einen Fachvortrag. Ohnehin sind derartige Verfahren nur Mittel zum Zweck; und wenn Ziel und Zweck überzeugen, werden auch die jeweiligen Verfahren anerkannt und sind gerichtsfest.

Betrachten wir aber mal die Hintergründe:

Das Gebiet Bieber Waldhof war lange als Baugebiet in der Diskussion. Ein breites Parteienspektrum hatte sich dafür ausgesprochen. Da es sich dabei um ein ökologisch sensibles Gebiet mit wertvollen Flächen handelt, waren wir Grüne grundsätzlich gegen eine Bebauung. Das hatte intensive Auseinandersetzungen zur Folge, mit dem Ergebnis, dass das potenzielle Baugebiet erheblich kleiner wurde.

Einerseits ein Erfolg für uns Grüne, andererseits aber auch ein Kompromiss, zu dem man politisch stehen sollte. Immerhin haben sich unsere Arbeit und die Einwände insofern ausgezahlt, dass das weitere Planverfahren anders als sonst üblich aufgesetzt wurde. Mehr noch: es fand eine regelrechte Planumkehr statt! Anstelle der Bebauung bestimmte fortan die Natur die Planung.

Das bedeutet: Ein großer Teil der Fläche, die für eine Bebauung vorgesehen war, bleibt weiterhin unangetastet. Im Gegenzug werden stattdessen angrenzende Flächen mit geringer ökologischer Wertigkeit, also Ackerflächen, in einem Tauschverfahren in das Baugebiet integriert.

Im Endergebnis ergibt sich dadurch eine mit der Landschaft verzahnte Planung, die wertvolle Biotope unangetastet lässt. Also eine sehr feingliedrig durchdachte Planung und keine, die einfach einen geraden Strich durch die Landschaft zieht, wie es der alte Plan vorsah.

Wurde so aus einem Kompromiss eine überzeugende Lösung? Entscheiden Sie selbst!

Die stimmige Flächenfindung war aber nur das eine, es musste zudem ein hoher ökologischer Anspruch für ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Quartier umgesetzt werden.

Wie aber plant, baut und sichert man ein nachhaltiges und zukunftsorientiertes Quartier?

Das Gebiet wurde so geplant, dass es attraktiv für gemeinschaftliches Wohnen ist. Wie wichtig das ist, haben wir vorhin von Tobias Dondelinger gehört. Für Bieber Waldhof ist besonders interessant, dass beim gemeinschaftlichen Wohnen eine höhere Verbundenheit zu den ökologischen Belangen gelebt wird. Die Planung beinhaltet ein modernes Verkehrs-, Energie- und Wasserkonzept.

Dieser Entwurf hat auch uns gerade deshalb überzeugt.

Blieb noch die Frage: Wie lässt sich ein innovatives Baugebiet erfolgreich umsetzen? Und wie sichert man diese Ziele? Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn ein klassisches B-Plan-Verfahren allein reicht hier nicht aus.

Wir hielten uns an das kooperative Wohnbaulandverfahren, ein Verfahren, dass auf Kooperation setzt. Es erfordert viele Gespräche und Verhandlungen, viele Akteure müssen mitgenommen werden, sollen ihre Möglichkeiten und Alternativen kennen.

Es ist ein komplexes Verfahren, auf das ich hier nicht im Detail eingehen möchte, nur eine Besonderheit des SEM sei erwähnt: die Wertabschöpfung. D.h. ein Teil der Gewinne, die bei der Umwandlung von Ackerfläche zu Bauland anfallen, wird verwendet, um Infrastruktureinrichtungen, wie die erforderliche KITA im Gebiet, zu finanzieren.

Das mag bei einzelnen Eigentümern zunächst Unverständnis und wenig Begeisterung hervorrufen, steht aber mit unseren Gesetzen im Einklang und lässt sich gut erklären: Gewinne zu privatisieren und die Folgekosten der Allgemeinheit anzulasten wäre ungerecht!

Die Ofa behauptet, bei der SEM handele es sich um ein Enteignungsgesetz. Dem ist explizit nicht so!

Ja, es gibt es im Einzelfall die Möglichkeit einer Enteignung. Das ist aber kein Spezifikum einer SEM, sondern betrifft fast alle Planverfahren.

Eine der vorrangigen Aufgaben unseres Staates ist die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum. Dafür müssen Wohnbauflächen geschaffen werden. Die Erschließung von Wohnbauland ist ein klassisches Beispiel für Fälle, in denen das Gemeinwohl über den privaten Interessen einzelner stehen.

Das kooperative Wohnbaulandverfahren ist für uns nach wie vor der richtige Weg. Es ist ein Weg, der viel Arbeit macht, aber er lohnt sich, weil wir damit ein besseres Ergebnis erzielen.

Den vorliegenden Antrag lehnen wir ab.

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