Wie umgehen mit der maroden Trauerhalle auf dem neuen Friedhof?

Stadtverordnete und USV-Vorsitzende Sabine Leithäuser

Rede unserer Stadtverordneten und USV-Ausschussvorsitzenden Sabine Leithäuser

Als wir uns diese Frage das letzte Mal stellten und einen Neubau der Trauerhalle beschlossen, waren die Voraussetzungen anders als heute:

Laut Gutachten sprachen die funktionalen, technischen und auch ökonomischen Gründe gegen eine Sanierung. Mittlerweile sind die einstmals kalkulierten Baukosten aber nicht mehr zu halten, sie sind so stark gestiegen, dass die ESO den Neubau nicht mehr aus eigener finanzieller Kraft stemmen kann.

Damit würde dem städtischen Haushalts eine starke Belastung drohen. Um das abzuwenden mussten die Baumaßnahmen noch einmal überdacht werden. Neben den bereits vorliegenden zwei Varianten, nämlich Neubau und Komplett-Sanierung, wurde nun noch eine dritte Variante untersucht: Eine Erhaltungsvariante mit funktionalen Ergänzungen und Verbesserungen.

Wie das aktuelle Gutachten bestätigt, erweist sich diese dritte – im übrigen ressourcenschonendere – Variante zum einen als entschieden günstiger, zum anderen konnten auch die technischen und funktionalen Mängel zufriedenstellend beseitigt werden.

Das alles ermöglicht und verlangt eine Neubewertung, und wir müssen heute erneut entscheiden.

Es gab in den letzten zwei Jahren eine Menge Streit zwischen den Befürworter:nnen des Neubaus, die funktional-technisch und ökonomisch argumentierten und den Befürworter:innen der Sanierung, die für den Erhalt einer wertvollen Architektur, zu der viele Offenbacher:innen eine starke und auch emotionale Bindung haben, eintraten. Wie so häufig, akzeptierte jede Seite fast nur noch die eigenen Argumente.

Aber worum geht es wirklich? Es geht um einen Raum, der Menschen in einem existentiellen Moment – in Trauer und Abschied – Trost und Halt verspricht.

Warum hatten wir Grünen uns vor zwei Jahren schweren Herzens für einen Neubau entschieden? Wir waren von der Hoffnung getragen, dass ein Neubau den Wünschen und Bedürfnissen einer sich wandelnden Gesellschaft und einer sich wandelnden Trauerkultur besser entspricht. Hätte diese Hoffnung sich erfüllt? Diese Frage müssen wir uns stellen.

Wir hatten darum gebeten, dass Fachleute der Trauer, Gemeindevertreter, Pietäten, Trauerredner, Sterbebegleiter und auch Soziologen beteiligt werden. Diese haben zwar wertvolle Anregungen gegeben, aber wie es bei Verbesserungsvorschlägen so ist – sie führen auch zu Mehrkosten.

Und ein Punkt blieb in diesem Prozess offen: die Diskussion über die architektonische Qualität. Vielleicht war diese aufgrund der polarisierten Diskussion auch gar nicht mehr möglich. Um die gestalterische Qualität zu sichern, hatten wir gefordert, dass der Gestaltungsbeirat in die Planung mit einbezogen wird. Dies erfolgte leider erst zu einem Zeitpunkt, als die Planung schon so weit fortgeschritten war, dass nur noch kleine Anregungen und Korrekturen möglich waren. Der Gestaltungsbeirat hätte sich zu dieser Bauaufgabe, die ja eine ganz besondere ist, einen Wettbewerb oder zumindest Alternativentwürfe gewünscht; es hätten sich sicher engagierte Architekten gefunden, die sich mit Enthusiasmus und guten Ideen an der Entwurfsaufgabe beteiligt hätten. Der Gestaltungsbeirat konstatierte hier eine „vertane Chance“. So müssen wir damit leben, dass der Gestaltungsbeirat insgesamt von der gestalterischen Qualität des Neubauentwurfs nicht überzeugt war.

Wir möchten an dieser Stelle den Stab über den Entwurf aber nicht zu hart brechen. Es ist eine schwere Aufgabe, innerhalb einer Zeit des Wandels schon eine perfekte Form zu finden, die lange vorhält. Vielleicht ist es auch so, wie mir ein Philosoph und Trauerredner sagte: „Die Trauerhallen werden immer mehr an Bedeutung verlieren. Die Menschen suchen sich andere Orte: das kann für den Fußballfan das Stadion sein, für die Gartenliebhaberin der Garten, den Chorsänger der Probenraum, für Gemeindemitglieder die Kirche …. Sie suchen Orte, an denen sich die Seele des Verstorbenen noch spüren lässt.“

Demgegenüber möchte ich jetzt aufzählen, was nach Meinung der Bürger:innen für die alte Trauerhalle spricht:

. Die Architektur der Trauerhalle verkörpert die Themen Trauer, Abschied und Sterben: Es ist die Gesamtkonzeption aus Zelt, schwebendem Dach und Lichtführung, die diese Wirkung entfaltet.

. Die Raumwirkung ist auch im Vergleich zu anderen Trauerhallen einzigartig. Bei Trauerfeiern findet hier schnell eine Fokussierung auf das Ritual statt, der/die Verstorbene steht im Mittelpunkt.

Wenn sich am Ende einer Trauerfeier die Rosenheimglastür öffnet, erlebt das Wort „ins Licht gehen“ seine bildliche Darstellung, für manche ein magischer Moment.

Auf der Infoveranstaltung am letzten Dienstag zeigten sich die anwesenden Bürger:innen sehr erleichtert darüber, dass die Trauerhalle erhalten bleibt. Sie sprachen von einem architektonischen Kleinod in Offenbach, und davon dass diese Bauweise einen besonderen Stellenwert in der Offenbacher Architekturgeschichte hat.

Und so fällt mir ein Stein vom Herzen, wenn wir heute den Erhalt der Trauerhalle in der Variante III sichern.

Ich wünsche mir, dass auch diejenigen, die für einen Neubau votieren, ihren Frieden mit der Entscheidung finden und würde mich freuen, wenn sie bereit sind, sich auf die besonderen Qualitäten dieses Raums einzulassen und nicht weiter zu streiten. Das ist dem Thema nicht angemessen.

Ich danke den engagierten Bürger:innen, die sich stark für den Erhalt eingesetzt haben, ich danke dem Magistrat, dass er den Mut hatte , das Rad herumzureißen, ich danke der SOH, dass sie sich konstruktiv an die Überarbeitung der Gutachten gemacht hat.

Ich schließe in der Hoffnung, dass wir den Schatz, den wir mit der alten Trauerhalle haben, erkennen und wertschätzen.

Vielen Dank

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.