Rede unserer Stadtverordneten Sabine Leithäuser zum Antrag „Nutzungsagentur“

Stadtverordnete und USV-Vorsitzende Sabine Leithäuser

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Es geht darum: Wie gestalten wir den Wandel?

In ihrem Antrag fordert die Opposition zur Abwendung von Leerständen die Einrichtung einer Nutzungsagentur nach dem Beispiel von Wuppertal und der Altstadt Frankfurt; das klingt zunächst einmal sinnvoll, aber das Instrument ist schon ein bisschen in die Jahre gekommen.

Ein paar Anmerkungen zur Einordnung:

Ja, der lokale Handel hat große Probleme: Ladenflächen stehen leer, Billigläden machen sich breit, die Kundschaft bleibt aus, es fehlen attraktive Angebote. Das alles ist nicht neu, es hat sich über Jahrzehnte entwickelt.

Begonnen hat es mit dem Leitbild der autogerechten Stadt, verbunden mit der immer stärkeren Trennung von Wohnen und Arbeiten, dem Bau von Einkaufszentren auf der grünen Wiese, hinzu kam der wachsende Online-Handel und schließlich auch noch Corona mit Homeoffice. Alteingesessene Traditionsunternehmen, also Händler mit besonderer Bindung zu Offenbach haben keine Nachfolger mehr gefunden, können die hohen Mieten nicht mehr zahlen und haben reihenweise dicht gemacht – es lohnt sich nicht mehr!

Alles in allem: ein großer Verlust für die Innenstädte, ein großer Verlust für die Stadtgesellschaft.

De Probleme sind lange bekannt und viele Akteure bemühen sich seither, dem Trend entgegenzuwirken. Doch wirkt die Gleichung: wenn wir nur die Läden füllen, ist alles wieder gut?

Schauen wir uns an, wie sich diese Idee entwickelt hat.

Angelehnt an das Managementsystem der Einkaufszentren und beginnend in Nordamerika, wurde das Modell des Business-Improvement-Districts entwickelt, das erste BID entstand 1970 in Toronto. Seit 2005 haben wir in Hessen das Landesgesetz INGE, das einen rechtlichen Rahmen für BIDs auch bei uns bereitstellt. In der Folge gab es etliche Best-Practice- und Forschungsprojekte, z.B. das zitierte Projekt in Wuppertal aus 2007, und z.B. kurz darauf auch ein Projekt in Frankfurt Höchst – ein EU-Projekt, denn das Problem ist international und betrifft nicht nur Deutschland.

2007 – 2021: wenn wir die durchgeführten Projekte evaluieren, dann müssen wir feststellen, dass die Instrumente gewirkt haben, aber sie konnten den Hebel nicht herumreißen, sie konnten die Entwicklung vielleicht hinauszögern, aber nicht stoppen.

Ich möchte daher einfügen: Das von Ihnen angeführte Beispiel des Bereichsmanagements in der Frankfurter Altstadt fällt als Beispiel für Offenbach heraus: Die Situation einer aus dem Boden gestampften Altstadt kann man nicht mit einer gewachsenen Innenstadt vergleichen; die Eigentümerstruktur und die Vertragsstrukturen bilden eine gänzlich andere Voraussetzung; die Frankfurter Altstadt erfüllt eine andere Funktion: Tourismus und Repräsentanz!

Zurück zu Offenbach. Auch hier waren wir nicht untätig:

Beim Karree Offenbach handelt es sich um ein BID auf Grundlage des hessischen Gesetzes INGE, es wurde 2011 gegründet. Ein vielgelobter Schritt war die Entwicklung eines innerstädtischen Einkaufszentrums, das KOMM, nicht viele Städte hatten die Vision und den Mut dazu. Flankierend dazu wurden die Umgestaltung von Wilhelmsplatz, Aliceplatz und Marktplatz vorangetrieben.

Aber das reichte und reicht nicht. Die Konzentration auf den Handel und die Erdgeschosszonen führt nicht zu dem Ziel, was wir uns vorstellen: eine lebendige, vitale Stadt. Unsere Gesellschaft und unsere Städte sind im Wandel – längst ist es nicht mehr allein der Handel, der die Attraktivität einer Stadt bestimmt.

Was brauchen unsere Städte? Wie werden sie wieder vitaler?

Dazu müssen sich unsere Städte wieder neu erfinden und eine neue Erzählung abliefern. Und die gute Nachricht ist: Offenbach ist da ja schon auf einem guten Weg! Das Zukunftskonzept Offenbach wurde gemeinsam von vielen BürgerInnen und AkteurInnen erarbeitet. Darin wird formuliert, wie wir in 2030 die Stadt beschreiben wollen: „Die Innenstadt ist nicht einfach nur im Wandel. Sie gilt inzwischen als bundesweites Beispiel für die Neuerfindung einer Innenstadt. Denn sie hat gezeigt, wie man den Weg von einer kriselnden Shopping-City zu einer vielfältigen und blühenden „Stadtmitte für alle“ gehen kann.“ Das Zukunftskonzept ist ein ambitioniertes Programm für die nächsten Jahre – dabei kommt auch dem Handel ein hoher Stellenwert zu, deswegen gehört auch die Arbeit an den Leerständen hier selbstverständlich hinein. Neben Handel stehen aber auch noch Wohnen, Arbeit, Teilhabe und Repräsentation sowie Kultur und Gemeinschaftlichkeit im Fokus. Und es wird gefragt: Wie wirkt die Stadt auf Menschen, lädt sie ein zum Flanieren und Bummeln, zum Verweilen? Das Zukunftsprojekt ist ein großes Programm, ein modernes Nutzungsmanagement gehört dazu, aber das muss man zusammen und integriert vorantreiben.

Deshalb die Bitte: konzentrieren wir all unsere Kraft auf dieses Projekt, lassen Sie es uns gemeinsam umsetzen und weiterentwickeln. Bringen Sie ihre Ansichten und Einsichten dazu ein!

Wir Grünen setzen uns ein für eine vitale, lebenswerte, vielfältige und gesunde Stadt für alle Bürger:innen; eine Stadt, die gemeinsam aktiv den Wandel gestaltet. Ich freue mich darauf, dass wir zu den Konzepten weiter im Diskurs bleiben und das Beste für unsere Stadt suchen.

Ich wünsche Ihnen eine schöne Adventszeit – und wenn Sie Muße haben, dann empfehle ich mal wieder die Lektüre des Zukunftskonzepts. Ein Blick da hinein lohnt immer wieder.

Artikel kommentieren

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.