Rede unserer Fraktionsvorsitzenden zum Grundsatzbeschluss zum Radentscheid 19. September 202219. September 2022 Dr. Sybille Schumann Sehr geehrter Stadtverordnetenvorsteher, liebe Kolleg:innen und Kollegen, heute werden wir von der Koalition einer Magistratsvorlage zustimmen, welche den Weg ebnet hin zu einer zukunftsgerichteten Mobilität und die ein wichtiger, wenn nicht sogar ein wesentlicher Baustein ist, um einer Gleichberechtigung der Verkehre in Offenbach näher zu kommen, genau so, wie wir es auch in unseren KOA-Vereinbarungen vorgesehen haben. Denn darin heißt es, ich zitiere: „Wir stehen für die gleichberechtigte Etablierung aller Verkehrsträger“. Weiter heißt es: „Die Gewährleistung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer:innen am Straßenverkehr ist uns ein großes Anliegen“ und daher – ich zitiere weiter– „werden wir, um diese Verkehrsart weiter zu stärken, ein eigenes Budget für diese Verkehrsart einrichten“. All diese Punkte finden sich in der Vorlage wieder. Zudem stützt ein Ausbau der Radinfrastruktur die Verlagerung der Verkehre hin zu einer immissionsarmen Verkehrsart, und somit erreichen wir weitere Etappenziele in der Einhaltung unseres Luftreinhalteplans. Ganz so, wie wir das in der Koalition ebenfalls vereinbart haben. Das Besondere an diesem Beschluss ist jedoch nicht, dass mit der Umsetzung des Grundsatzbeschlusses viele unserer Koalitionsziele erreicht werden können. Nein. Das Besondere daran ist, dass wir mit dem Beschluss einem Anliegen vieler Offenbacher:innen gerecht werden, welches der Radentscheid Offenbach vertritt: Für eine fahrradfreundliche Stadt Offenbach. Insgesamt 4492 Bürger:innen haben dies mit ihrer Unterschrift bezeugt. Die Vereinbarung und das darin formulierte gemeinsame Vorgehen und der für die Umsetzung erarbeite Maßnahmenkatalog, welcher von städtischen Vertreter:innen zusammen mit Vertreter:innen des Radentscheids erarbeitet wurde, umfasst nun unter anderem explizit die Forderung nach einem durchgängigen, leistungsfähigen Radwegenetz, sicheren Radverbindungen auf Haupt- und Nebenstraßen sowie an Kreuzungen und Einmündungen, mehr Fahrradabstellplätzen und damit zusammenfassend verbesserte Mobilitätsmöglichkeiten für Radfahrende und zu Fuß Gehende. Es erscheint fast überflüssig, noch einmal explizit zu erwähnen, warum eine Unterstützung für die Veränderungen im Mobilitätsverhalten notwendig ist. Oder zu erwähnen, warum viele, viele Menschen bereits begonnen haben ihr Mobilitätsverhalten zu verändern. Ich will es dennoch tun, denn was mir offensichtlich und logisch erscheint, ruft doch auch immer wieder Kritiker auf den Plan, die meinen, dies alles wäre überzogen oder gefährde gar die Attraktivität der Stadt. Sehr, sehr lange wurde die gesamte Verkehrs- und Stadtplanung um das Auto herum konzipiert. So auch in Offenbach. Das hat unter anderem dazu geführt, dass immer mehr KfZ zugelassen wurden, und immer mehr Menschen von anderen Verkehrsträgern auf das Auto umgestiegen sind. Alltags-Mobilität im Sinne von „zu Fuß gehen“, „mit dem Rad fahren“, „die Bahn oder den Bus nutzen“, wurde immer weiter verdrängt. Der von Menschen nutzbare öffentliche Raum wurde zugunsten der Straßen- und Parkplatzinfrastruktur immer knapper. Es ist immer mehr Geld in die Kraftfahrzeuginfrastruktur geflossen, und immer weniger öffentliches Geld in Fußgänger:innen- oder Radler:innen-Infrastruktur. Das Schienennetz wurde meist ab- statt ausgebaut. Mit 18 Jahren gab es nichts wichtigeres als einen KFZ-Führerschein zu erwerben. Die Effekte dieser Politik sind inzwischen merkbar: Die Luft wurde schlechter, es wurde lauter, der Platz enger und die Aufenthaltsqualität in Städten immer geringer. So auch in Offenbach. Unsere Gesellschaft hat aber inzwischen das Bedürfnis nach wieder besserer Luft, weniger Lärm, mehr körperlicher Bewegung und mehr Aufenthaltsqualität im Freien. Und weniger junge Menschen haben heute das Bedürfnis einen KFZ-Führerschein zu machen. Das Fahrrad zählt inzwischen (nicht nur bei jüngeren) als Statussymbol! Immer mehr Menschen sind Fans von kurzen Wegen. Auch beim Einkaufen. Fakt ist auch, dass der Anteil an Radfahrenden im Mobilitätsmix zwar langsam (was sicher mit an der bescheidenen Infrastruktur liegt) jedoch kontinuierlich steigt. So auch in Offenbach. Bei all diesen Punkten sind wir in Offenbach übrigens nicht allein, sondern dies ist ein bundesweiter Trend. Viel Kommunen sind da, obwohl wir Offenbacher:innen ja sonst immer an der innovativen Spitze der Republik stehen, übrigens schon viel weiter. Ich wundere mich übrigens sehr über Positionen, die immer wieder anzutreffen sind und behaupten, dass ein Ausbau der Radinfrastruktur eine Politik gegen den motorisierten Individualverkehr wäre. Nein, das ist ein Baustein für eine Gleichberechtigung aller Verkehrsträger und damit aller Menschen mit Mobilitätsbedürfnis. Unabhängig von der individuellen Wahl des Verkehrsträgers bin ich mir sicher, trotz des Ausbaus der Radinfrastruktur wird in Offenbach dem Auto seine Rolle im Mobilitätsmix erhalten bleiben. Jedoch ist klar, dass durch die Maßnahmen mit der Praxis gebrochen wird, die automatisch die Mobilität per Auto gegenüber aller anderen Verkehrsträgern bevorzugt. Offenbach wird nach Umsetzung der Maßnahmen aus dieser Magistratsvorlage noch lebenswerter werden und für alle Verkehrsteilnehmer:innen noch sicherer. Denn vom Ausbau der Radinfrastruktur werden indirekt auch Offenbachs Fußgänger:innen profitieren. Jede Radler:in -die wie bisher aus Angstgründen- dann nicht mehr auf dem Fußweg unterwegs ist, sondern auf einem Radweg, schafft Platz und Sicherheit für Fußgänger:innen. Jeder noch so schmale Radweg, der den Bürgersteig besetzt oder einengt, und dessen Verkehre dann stattdessen auf Radstreifen oder Fahrradstraßen verlegt werden, ist ein Gewinn für die Zu-Fuß-Gehenden. Ich würde mich wirklich über eine breite Zustimmung der Stadtverordneten aller demokratischen Parteien zu dieser Magistratsvorlage freuen. Auch, um die Bürger:innen zu achten, welche den Radentscheid Offenbach mit unterschrieben haben und um dem engagierten Team aus unserer Verwaltung und den Vertreter:innen des Radentscheids Respekt zu zollen, welche die Vereinbarung ausgearbeitet haben. Für diese Arbeit meinerseits jedenfalls ein ganz, ganz dickes Dankeschön an alle daran Beteiligten! Stadtverordnetenversammlung Offenbach / 15.09.2022