Rede unserer Stadtverordneten Dr. Sabrina Engelmann zum Magistratsantrag „Probebetrieb Radfahrstreifen Waldstraße“

Stadtverordnete Dr. Sabrina Engelmann

Rede Verkehrsversuch Waldstraße

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, sehr geehrte Damen und Herren,

wir Grünen freuen uns über und begrüßen den einjährigen Probebetrieb eines Radfahrstreifens auf der Waldstraße. Diejenigen von uns, die zumindest hin und wieder mit dem Fahrrad über die Waldstraße fahren – und sei es auch nur abschnittsweise – wissen, wie anstrengend und gefährlich dies sein kann. Daher ist es gut, dass für ein Jahr getestet wird, welche Auswirkungen es hat, wenn ein Fahrstreifen für den Radverkehr reserviert ist.

Die Maßnahme auf der Waldstraße ist dabei ein Schritt hin zur gerechteren Verteilung des Straßenraums, weg von der überbordenden Privilegierung des Autos. Es ist gut für Offenbach, wenn sich mehr Menschen für das Radfahren und weniger für das Autofahren entscheiden, denn dies bedeutet weniger Lärm, weniger Stickoxide, weniger CO2-Ausstoß, weniger Mikroplastik. Ein sicherer Radstreifen auf der Waldstraße kann ein weiterer Anreiz dafür sein.

Die Radspur ist dabei Teil der Vereinbarung der Stadt mit dem Radentscheid, der immerhin von 5.854 Menschen unterzeichnet wurde (und damit etwa doppelt so vielen wie das Quorum verlangt). Die Umgestaltung der Waldstraße ist als Sofortmaßnahme gekennzeichnet und soll bereits in diesem Frühjahr umgesetzt werden. Das ist wichtig, denn auf die Einigung mit dem Radentscheid sollten auch schnell sichtbare Ergebnisse folgen.

Die meisten von Ihnen kennen sicher die Redewendung: Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten. Der Fachausdruck dafür ist induzierter Verkehr. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass weitere Spuren für den Verkehr nur kurzzeitige Entlastung bringen, langfristig die Nachfrage dem Angebot folgt und schnell wieder die gleiche Verkehrsbelastung herrscht wie vor der Erweiterung einer Straße. So weit, so frustrierend. Doch diese Einsicht gilt nicht nur für den Autoverkehr, sondern auch für den Radverkehr. Werden weitere – sichere – Spuren für den Radverkehr eröffnet, folgt in aller Regel auch die Nachfrage und es fahren mehr Menschen mit dem Rad. Daher ist auch hier die Annahme begründet, dass eine abgetrennte Spur für den Radverkehr auf der Waldstraße zu einer Zunahme der dort fahrradfahrenden Menschen führen wird.

Das ist nicht nur gut für unsere Stadt – ich sagte es bereits – sondern auch für die Autofahrenden und die Nutzer*innen des ÖPNVs. Denn die „neuen“ Radfahrenden entstehen ja nicht aus dem Nichts, sie waren vorher auch schon unterwegs, etwa im ÖPNV oder im Auto. Ein größerer Anteil des Radverkehrs an den in Offenbach zurückgelegten Wegen, heißt eben auch mehr Platz im Bus und weniger Autos auf der Straße.

Doch nicht alle sehen dem Probebetrieb so zuversichtlich entgegen wie ich, das ist mir klar. Hierzu möchte ich eine Parallele zur Debatte um die Sperrung einer Spur für den Autoverkehr und Umwandlung in eine Radverkehrsspur an der Friedberger Landstraße in Frankfurt ziehen. Ich wähle dieses Beispiel auch deswegen, weil ich direkt dort arbeite und diese Straße daher gut kenne und oft befahre. Die Friedberger Landstraße ist eine der Hauptverkehrsadern Frankfurts und verbindet unter anderem eine Autobahnabfahrt mit dem Alleenring. Sie war vor der Einführung der Fahrradspur zweispurig in beide Richtungen für den Autoverkehr freigegeben. Einen gekennzeichneten Fahrradschutzstreifen gab es nicht bzw. nur in kleineren Abschnitten. Die Sorgen vor der Sperrung einer Spur für den Autoverkehr waren groß. So wurde prophezeit, dass es dann dort jeden Tag zu Staus kommen werde. Weiterhin wurde gewarnt, dass man die Leistungsfähigkeit dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung nicht einschränken dürfe.

Die Befürchtungen vor einem Verkehrschaos an der Friedberger Landstraße waren also groß. Und ja, in den ersten Wochen nach der Veränderung kam es durchaus zu dem einen oder anderen kleineren Stau. Doch inzwischen fließt der Verkehr – der mit zwei und der mit vier Rädern – zügig über die Straße und es gibt keine vermehrten Staus. Der Verkehrskollaps blieb also aus.

Daher bin ich optimistisch und gehe fest davon aus, dass dies auch hier der Fall sein wird.

Bei der Auswahl der Waldstraße für diese Maßnahme ging es im Übrigen nicht nur darum, eine Nord-Süd-Verbindung für den Radverkehr zu schaffen – die gibt es bereits in Form von Fahrradstraßen, die einen einigermaßen sicheren Weg für Radfahrende bieten. Doch diese Fahrradstraßen sind einerseits nicht immer der kürzeste Weg und bei Umwegen sind Radfahrende, die sich zumeist mit reiner Muskelkraft fortbewegen, nachvollziehbarerweise zurückhaltend. Andererseits gibt es jede Menge Ziele, die auf der Waldstraße selbst liegen und auch diese möchten Fahrradfahrende erreichen. Warum sollte auch ein sicheres Erreichen dieser Ziele nur den Autofahrenden vorbehalten sein?

Zum Abschluss möchte ich noch auf den Änderungsantrag der CDU und der Freien Wähler eingehen. Sie fordern, dass statt der Einführung eines Radfahrstreifens auf der Waldstraße im bestehenden Fahrradstraßen-Netz Lücken geschlossen und Hindernisse beseitigt werden sollen. Bei letzterem kann ich nur einstimmen. Wir sollten unbedingt die Lücken im Fahrradstraßen-Netz schließen. Doch nicht statt des Radstreifens auf der Waldstraße, sondern zusätzlich dazu. Deswegen wurden auch der Lückenschluss sowie weitere Maßnahmen zur Steigerung der Sicherheit für Radfahrenden in den Fahrradstraßen in der Anlage zur Vereinbarung mit dem Radentscheid genau so beschlossen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die anstragstellenden Fraktionen dem damals dennoch nicht zustimmen können.

Außerdem ist es ja nicht so, dass Radfahrende einfach nur pauschal von Norden nach Süden wollen. Auch sie wollen, genau wie die Menschen im Auto von A nach B – und beide Punkte liegen nun nicht immer günstig an einer Fahrradstraßenachse. Die Radfahrenden allein auf die Strecken der Fahrradstraßen einzuschränken, wäre nicht zielführend.

Wir Grüne werden dem vorliegenden Antrag zustimmen und freuen uns auf die Umsetzung, die ein weiterer Baustein für die Verkehrswende ist.

Vielen Dank!

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